© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

Duft der Heimat
Deutsche Gaumenfreuden werden weltweit immer beliebter
Heiko Urbanzyk

Wenn sogar die Queen sich für die Bratwurst von „Herman ze German“ entscheiden würde, sollte der gemeine Brite es ihr gleichtun. Meinen zumindest die Londoner Stars der deutschen Küche, Azadeh Falakshahi und Florian Frey. Ihre Restaurants in London genießen Kultstatus – und sind Botschafter deutscher Gaumenfreuden im Ausland. Die badischen Jungs plagte im berufsbedingten britischen Exil der Hunger auf Brat- und Currywurst in der Mittagspause. Ein erster Import von Originalwürsten für den Eigenverzehr rief die kulinarischen Gelüste der Kollegen hervor und dann bat auch noch ein Pub um Schwarzwälder Wurst für eine „deutsche Woche“. 

Für Frey und Falakshahi der Beginn ihrer Erfolgsgeschichte. Noch bis zum Jahr 2008 versuchen sie über einen regelmäßig durch die Kundschaft geplünderten Imbißwagen auf Musikfestivals den Geschmack des Gastgeberlandes auszuloten – Kreditgeber für den Import Tausender Würste aus dem „Black Forest“ finden sich. Auch die Eröffnung der ersten Londoner Filiale von „Herman ze German“ finanziert ein vermögender Bekannter Freys. Die Namens­idee liefert ein Freund, der während des Studiums in England diesen typisch britischen Spitznamen für Deutsche verpaßt bekam. Das „ze“ im Logo parodiert die schlechte „th“-Aussprache der Deutschen. 

Mit dem englischen Humor spielende Selbstironie und das Bedienen der Klischees über Deutsche im Ausland sind wichtig: Schlagworte wie Sauerkraut, Schnitzel, Bratwurst und (Weizen-)Bier kennt man im Ausland. Der Telegraph schwärmt in einer Restaurantkritik von den „Hermans“, und der vorbeigeschickte Vorkoster amüsiert sich über den italienischen Koch in der deutschen Küche: es sei stets eine Freude, die alten Achsenmächte wieder vereint zu sehen. 

„Sehnsucht nach dem Duft der Heimat“, kulinarische Engstirnigkeit, Angst vor fremden Geschmäckern, aber auch Geschäftssinn seien typische Motive Deutscher, im Ausland ihre Produkte anzubieten, konstatiert das Goethe-Institut. Deutsche Speisekarten liegen so längst auf allen fünf Kontinenten aus: von Rouladen in Australien bis Eisbein in der südafrikanischen Karoo-Wüste. Dabei gehen die Konzepte längst über die der urigen Aussteiger-Gaststätte oder der kleinen Imbißbude in bei Deutschen beliebten Urlaubsorten hinaus. Die gehobene, aber auch die system-gastronomische Verbreitung deutscher Gerichte im großen Stil liegt im Trend. 

Die Globalisierung verändert die Eßkulturen 

Die sehr regionalspezifische deutsche  Küche kommt dabei „im Ausland fast nur als Spezialitätenküche vor, und diese Spezialitäten sind wiederum hauptsächlich auf Bayern bezogen“, erklärt die Kulturwissenschaftlerin Maren Möhring. Kein Wunder, daß die Marke Hofbräuhaus als weltweites Franchise-Produkt ihre Servicekräfte vom thailändischen Chiang Mai bis zum US-amerikanischen Rosemont in Trachten kleidet. 

Aber nicht nur Deftiges aus den Landen zwischen Nordsee und Alpen ist im Ausland angesagt. Baumkuchen ist in Japan eine der beliebtesten Süßspeisen überhaupt und wird frisch geschnitten in der Edelkonditorei oder vorportioniert im 24-Stunden-Supermarkt ganzjährig angeboten. Der vierte März ist in dem Land der aufgehenden Sonne sogar offizieller Tag des „Baumukuuhen“, den die Japaner in mehren Varianten von Grüntee bis Banane ihrem Geschmack angepaßt haben. Der Ethnologe Marin Trenk („Döner Hawaii – unser globalisiertes Essen“, Klett-Cotta 2015) erinnert daran, daß der Ex- und Import von Speisen zu einer Veränderung der Eßkultur im jeweiligen Land führt. 

Dies beweist auch der Döner. Das osmanische Traditionsgericht – der Legende nach 1970 in Berlin in der heutigen Form der Brottasche neu erfunden –  wird aktuell durch die Deutschen Michael Heyne und Dominik Stein in den USA etabliert. 40 Restaurants mit bis zu 60 Sitzplätzen von der West- bis zur Ostküste stehen für die Wahrnehmungsveränderung im Ausland, was „typisch deutsche“ Eßkultur ausmacht. Auch hier war es der Hunger auf den nur schwer zu erwerbenden Imbiß aus der deutschen Heimat, der die Gründer der Döner-Kette „Verts“ zu ihrem Projekt anregte.