© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/17 / 13. Oktober 2017

Pikantes gegen die Dogmen
Tom Holland blickt auf die frühe Geschichte des Islam
Gabriel Burho

Daß die islamische Geschichte „im vollen Lichte“ vor uns liege, von diesem Dogma hat sich auch die Islamwissenschaft inzwischen verabschiedet. Dennoch folgt die Mehrheit der Forscher bis heute islamischen Quellen zur Entstehung der letzten großen monotheistischen Religion. 

Alternative Lesarten sind nicht neu, aber bisher in der Minderheit. Nämlich, daß der Islam auf Elementen der drei älteren Monotheismen Zoroastrismus, Judentum und Christentum aufbaue, deren Motive neu verknüpfe und noch während seiner explosionsartigen Ausbreitung möglicherweise von seinen Bekennern nicht als eigenständige Religion verstanden wurde. Ebenso, daß die islamischen Überlieferungen, auf die sich auch die Mehrheit der westlichen Islamforscher bis heute stützt, nur eine begrenzte historisch-kritische Belastbarkeit aufweisen. 

Der englische Historiker Tom Holland brachte vor fünf Jahren in seiner Monographie „Im Schatten des Schwertes. Mohammed und die Entstehung des arabischen Weltreiches“ (JF 4/13) damit nichts wesentlich Neues, schaffte es aber, die bekannten Thesen allgemeinverständlich und gut lesbar in eine große Erzählung einzubetten, die Lust machte, sich näher mit alternativen Thesen zur Entstehung des Islam zu befassen. 

Das neue Nachwort der aktuellen Taschenbuchausgabe ist sehr lesenswert, da der Autor hier wichtige Themen deutlich zur Sprache bringt: die Angst bei den meisten Forschern, sich kritisch mit der islamischen Frühgeschichte auseinanderzusetzen, weil muslimische Befindlichkeiten leicht zu Todesdrohungen führen können. Oder auch das politische Mantra, ein islamistischer Anschlag habe nichts mit dem „wahren“ Islam zu tun. Richtig weist Holland darauf hin, daß gegenwärtig besonders radikale Islamkritiker, Islamisten und westliche Politiker glauben zu wissen, was denn der wahre Islam sei: „Eine Bundeskanzlerin oder ein Premierminister sollten sich nicht als Theologen aufspielen. Politiker, die sich anmaßen zu definieren, was der authentische Islam ist und was nicht, gehen davon aus, daß es so etwas wie einen authentischen Islam überhaupt gibt. Dabei existiert ein authentischer Islam bestenfalls für fundamentalistische Glaubensanhänger.“ Gerade in der aktuellen Debatte bemerkenswerte Sätze.

Tom Holland:  Mohammed. Der Koran und die Entstehung des arabischen Weltreiches. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2017, broschiert, 538 Seiten, Abbildungen, 14,95 Euro