© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/17 / 13. Oktober 2017

Nordfriesischer Don Quichote
Das Leben des Vormärz- Revoluzzers Harro Harring
Oliver Busch

Unter den gewaltigen Polemikern des langen 19. Jahrhunderts konnte es wohl nur Bismarck mit Karl Marx und Friedrich Engels aufnehmen. Wen diese beiden begnadeten Hasser mit Hohn und Spott überschütteten, galt nicht nur Zeitgenossen fortan als erledigt und verschwand rasch aus dem historischen Gedächtnis. So wie die vielen „Großen Männer des Exils“, die Köpfe der deutschen demokratischen Emigration, die Verlierer von 1848, denen Marx in London begegnete und denen er 1851 eine saftige, anonyme Schmähschrift widmete.

Unter ihnen zählt der nordfriesische Don Quichote Harro Harring, der „demagogische Hidalgo aus der söderjylländischen Mancha“, sicher zu den am gründlichsten vergessenen Revoluzzern der Vormärz-Ära. „Hohlköpfig und konfus genug“ sei er gewesen, um sich für einen „der gefährlichsten Männer der Welt“ zu halten. Tatsächlich fehlte der ewige Putschist und Barrikadentourist Harring, ein hageres Männchen, das sich gern räuberromantisch mit Dolch und Pistole im Gurt inszenierte, bei keinem Tumult. 

Früh knüpfte er Kontakte zu den burschenschaftlichen „Unbedingten“. Zum griechischen Aufstand gegen die Türken (1822) fand er sich ein und publizistisch befeuerte er Polens Kampf gegen die Zaren-Despotie 1830. Auf dem Hambacher Fest (1832) eine „Volkserhebung“ loszutreten, glückte ihm ebensowenig wie der Frankfurter Wachensturm (1833). Das miterlebte Desaster von Mazzinis Savoyer-Abenteuer zur Befreiung Italiens (1834) brachte ihn in Suizidgefahr. Den schmerzlichsten Fehlschlag erlitt er aber, als sich seine Landsleute partout nicht für die „Freie Republik Friesland“ entflammten, die er ihnen im Juli 1848 auf dem Bredstedter Marktplatz anpries. 

Harro Harring ist vom Fritz-Fischer-Schüler Walter Grab wiederentdeckt worden, um 1970, als Bundespräsident Gustav Heinemann zur Rückbesinnung auf demokratische Traditionen aufrief. 1982 gründeten Husumer Regionalhistoriker sogar eine Harro-Harring-Gesellschaft. Inzwischen ist ihr Protagonist aber wieder so unbekannt, daß Peter Mathews den von ihm penetrant-vertraulich so genannten „Harro“ in einer maximal unkritischen Biographie romancée abermals „entdeckt“. 

Peter Mathews: Harro Harring – Rebell der Freiheit. Die Geschichte des Dichters, Malers und Revolutionärs 1798–1870. Europa Verlag, München 2017, gebunden, 448, Seiten, Abb., 22,90 Euro