© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/17 / 13. Oktober 2017

Ein Sturm im Wasserglas
AfD-Fraktion im Bundestag formiert sich: In der neu gewählten Spitze sind die moderaten Kräfte stark vertreten, der „Flügel“ kann sich nicht durchsetzen
Christian Vollradt

Stürmisch ging es zu. Aber nicht in der Sitzung der AfD-Bundestagsfraktion, sondern außerhalb: Orkan „Xavier“ pfiff um das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus herum, und die sorgenvollen Blicke der Handvoll wartender Journalisten galt eher dem Unwetter als den hinter der Glastür Tagenden. Die wählten unterdessen in einer von mehreren Teilnehmern übereinstimmend als sehr ruhig beschriebenen Sitzung ihre stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Und gerade als in der Hauptstadt sämtliche überirdisch fahrenden öffentlichen Verkehrsmittel sturmbedingt ihren Betrieb einstellten, traten die frisch Gekürten vor die Presse und meldeten sich parat: Habemus Fraktionsführung.  

Zu den Vizes gehören Tino Chrupalla, der in Sachsen ein Direktmandat geholt hatte, Roland Hartwig, ein Vertreter der Alternativen Mitte aus Nord­rhein-Westfalen, der bayerische Mittelstandspolitiker Peter Felser, Mecklenburg-Vorpommerns Landesvorsitzender Leif-Erik Holm sowie Beatrix von Storch aus Berlin. Sie war zunächst bei der Wahl gegen Holm unterlegen, siegte in einem weiteren Wahlgang gegen Stephan Brandner aus Thüringen. Der als Verbündeter von Björn Höcke Geltende war bereits eine Woche zuvor bei der Wahl zu einem der Parlamentarischen Geschäftsführer durchgefallen. 

Dieses Ergebnis hat durchaus Signalwirkung. Denn es widerspricht der These, nach dem Abgang von Frauke Petry werde der moderatere Teil der AfD ins Hintertreffen geraten. Fürs erste sieht es nach dem genauen Gegenteil aus. Noch am Vortag hatte mit Mario Mieruch zunächst ein weiterer Abgeordneter seinen Austritt aus der Fraktion sowie der AfD erklärt. Ihn störe das Gewicht, das seiner Meinung nach die Parteirechten („fast die Hälfte der Fraktion“) im Bundestag hätten. Was das Personal der Fraktionsführung angeht, so konnten sich die allerdings ganz offensichtlich nicht durchsetzen. 

Am Wochenende zuvor hatte die innerparteiliche Interessengemeinschaft „Alternative Mitte“ ihr erstes bundesweites Treffen im oberfränkischen Tettau (ausführlicher Bericht auf JUNGEFREIHEIT.de). Dort ging es vor allem um die bessere Vernetzung der nach eigener Einschätzung gemäßigten Mitglieder – als Gegengewicht zu Gruppierungen wie dem „Flügel“ oder der „Patriotischen Plattform“. Trotz der Abgeschiedenheit des Tagungsortes waren fünf Bundestagsabgeordnete erschienen. Eine davon, Beatrix von Storch, hatte in ihrer Rede beim Treffen klargemacht, daß es in der AfD ohne Abgrenzungen nach Rechtsaußen nicht geht: „Es muß rote Linien geben, die nicht ohne Konsequenzen überschritten werden dürfen.“ Die Veranstalter werteten ihr Treffen als Erfolg. 

Auch nach der Fraktionssitzung am Donnerstag sieht man viele zufriedene Gesichter. Ob nun umgekehrt der rechte Flügel in der Fraktion unterrepräsentiert sei, wird die neugewählte Führungsmannschaft in der kurzen Pressekonferenz gefragt. „Ich glaube nicht, daß da etwas fehlt, so die Antwort von Fraktionschef Gauland. Man sei hinsichtlich der Fachkompetenz der Vizes gut vertreten und auch in puncto regionaler Herkunft gut repräsentiert. Daß es gegensätzliche Strömungen gebe, sehe er nicht. „Wir sind alle AfD!“ betonte Gauland.  

Eine seriöse Prognose, ob die AfD-Fraktion in nächster Zeit noch weiter bröckeln wird, läßt sich nicht abgeben. „Etwa fünf Leute“, schätzt ein Abgeordneter als „Wackelkandidaten“ ein; andere befragte Fraktionsmitglieder halten das für nicht so wahrscheinlich. Die Co-Vorsitzende Alice Weidel hält „ein, zwei weitere Austritte“ für möglich. Viel hänge auch vom Verlauf des Parteitags ab, darin ist man sich einig. 

Über den beriet am Wochenende der Konvent der AfD, das höchste Gremium zwischen den Parteitagen. Bei einer – nicht bindenden – Mitgliederbefragung hatte sich eine Mehrheit für einen Mitgliederparteitag ausgesprochen. Dem erteilte der Konvent nun eine Absage. Die „parteiengesetzlich zwingend erforderliche Neuwahl des Bundesvorstandes bis zum Jahresende“ sei nur mit einem Delegiertenparteitag umsetzbar.