© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/17 / 13. Oktober 2017

Meuchelmörder im atomaren Whirlpool
Kino II: Michael Cuestas „American Assassin“ verwüstet im Namen der Freiheit die Welt
Sebastian Hennig

Der anglo-amerikanische Propagandafilm bearbeitet seit Johnny Weissmüller die eigenen narzißtischen Störungen. In „Tarzans Triumph“ verfüttert der athletische Naturbursche einen NS-Barbaren an die Löwen, in den Sechzigern kompensiert Agent 007 die Demütigung durch die russische Atombombe und den Vorsprung im Weltraum, zwanzig Jahre später reitet Sylvester Stallone als Rambo gegen den überlegenenen sowjetischen Kampfhubschrauber MI-26 an.

Der neue Bösewicht nun in „American Assassin“ bedient sich einer Plutoniumbombe. Nach dem Trauma des 11. September 2001 kämpft der Agent Mitch Rapp (Dylan O’Brien) einen Privatkrieg gegen einen Ghost (Taylor Kitsch). Nebenbei wird ein Weltmeer radioaktiv verseucht. Macht nichts, wenn nur die Falschen die Bombe nicht in die Hände bekommen. 

Alles beginnt wie eine Korsarengeschichte. Der gute amerikanische Junge Mitch macht am Strand von Ibiza seiner Freundin einen Heiratsantrag. Unterdessen landet ein Kahn mit Schwerbewaffneten an, die wahllos das Feuer eröffnen. Mitch wird angeschossen, seine Verlobte stirbt. Nachdem er ausgeheilt ist, beginnt er sofort zu trainieren und Arabisch zu lernen. Er heftet sich an die Fersen islamistischer Rekrutierer. Aus dem ersten Einsatz seines Privatkriegs muß ihn die CIA freischießen und rekrutiert ihn anschließend.

Zwei Stunden Nahkampf und eine Atomexplosion später sehen wir Mitch dann wieder am Strand von Dubai entspannen. Es ist der Kampf eines guten Egoisten gegen einen bösen Egoisten. Zwischen Hammer und Amboß aber liegt die ganze Welt. Die USA zeigen sich als Illusionisten der freien Weltordnung. Die zwei Stunden „American Assassin“ sind mentale Vorbereitung und Ablenkung zugleich.

Als das Sowjetimperium seine finale Phase erreicht hatte, kam 1986 der Film „Briefe eines toten Mannes“ von Konstantin Lopuschanski in die Kinos. Auch darin war eine Atomexplosion samt ihren Folgen zu sehen. In diesem fraglos schwermütigen Russenfilm überleben in einem Bunker nahe einem Museum einige stumme Kinder. Sie werden von einem Geistlichen und einem Wissenschaftler in der Menschlichkeit unterwiesen. Gemeinsam begehen sie den heiligen Abend. Der Film endet mit dem Aufbruch der Kinder. Solch muffige Rückständigkeit ist dem flotten Cocktail von „American Assassin“ fremd. Dessen Produzent Lorenzo DiBonaventura schwärmt entsprechend vom realitätsnahen Dreh der Atomexplosion „mit diesem enormen Feuerball im Ozean – eine Mischung aus Krater und Whirlpool“. Vielleicht darf man einfach nur nicht Muffins mit Piroggen vergleichen.