© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/17 / 13. Oktober 2017

Beitragsservice gerät unter Druck
Das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht könnten den Rundfunkbeitrag in seiner aktuellen Form kippen
Ronald Berthold

Die Rechte für zahlreiche kostspielige Sport-Übertragungen haben ARD und ZDF mittlerweile an private Anbieter verloren. Dennoch reichen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Einnahmen aus den Zwangsgebühren von jährlich acht Milliarden Euro nicht. Sie fordern weitere Erhöhungen von jetzt 17,50 Euro pro Monat auf mehr als 20 Euro. Gleichzeitig bringen Aktivitäten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sowie eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts den Beitrag ins Wanken. Die Sender beginnen mit Sparmaßnahmen.

Besonders bedeutend ist ein Fragenkatalog, den der Vizepräsident des höchsten deutschen Gerichts, Ferdinand Kirchhof, an 41 öffentliche Institutionen versandt hat. Unter den Adressaten sind Bundestag und Bundesrat, das Bundeskanzleramt, diverse Ministerien, alle Landesregierungen und Landtage sowie die öffentlich-rechtlichen Sender. Bemerkenswert ist auch die kurze Frist, die der Jurist gesetzt hat: Bis zum 31. Oktober müssen die Antworten bei ihm eingehen.

Sender verkünden Pseudo-Sparmaßnahmen

Der Verfassungsrichter läßt die Stellungnahmen in die Entscheidung über vier Leitverfahren gegen den Rundfunkbeitrag einfließen. Insgesamt liegen in dieser Sache 130 Verfassungsbeschwerden vor. Bisher hat das BVerfG stets im Sinne der Anstalten entschieden. Doch nun kündigt sich eine Wende an, die sich nicht nur am Aufwand des Gerichts andeutet. 

Hinzu kommt, daß das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig – noch während in Karlsruhe verhandelt wird – ein bisher für unmöglich gehaltenes Urteil gesprochen hat. Die Richter stellten fest, daß die Abgabe für Hotel- und Gästezimmer nur dann erhoben werden darf, wenn der Besitzer „durch die Bereitstellung von Empfangsgeräten oder eines Internetzugangs die Möglichkeit eröffnet, das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot in den genannten Räumlichkeiten zu nutzen“. Dies könnte Auswirkungen auf private Haushalte haben. Denn bisher mußte jeder zahlen – unabhängig davon, ob er das Angebot überhaupt abrufen kann. Was für gewerbliche Übernachtungsstätten gilt, dürfte privaten Nicht-Empfängern kaum verweigert werden.

Noch ist der Spruch aus Leipzig nicht rechtskräftig. Die Bundesverwaltungsrichter verwiesen den Fall an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurück. Dort müssen die Juristen nun klären, ob die klagende Hostel-Betreiberin aus Neu-Ulm ihren Gästen tatsächlich keine Empfangsmöglichkeiten bietet. Sollte das der Fall sein, wird der Rundfunkbeitrag in der bisherigen Form kippen. In allen vorigen Instanzen hatte die Klägerin verloren.

Kirchhof geht indes auch der Problematik nach, ob es sich bei der Gebühr nicht doch um eine verkappte Steuer handelt. Er möchte von den öffentlichen Einrichtungen wissen, wie es sich auf deren Qualifizierung auswirkt, „daß der Rundfunkbeitrag im privaten Bereich durch die Anknüpfung an die Wohnungsinhaberschaft beinahe die gesamte Bevölkerung beitragspflichtig stellt“.

Besonders brisant ist auch die Frage, inwiefern die Höhe gerechtfertigt ist: „Auf welchen Erwägungen beruhte die Erhebung des Rundfunkbeitrags in Höhe von 17,98 Euro zum 1. Januar 2013 angesichts des erwirtschafteten Überschusses nach Einführung des Rundfunkbeitrags?“ Und Kirchhof thematisiert auch die Gerechtigkeitslücke: „Wie rechtfertigt es sich, daß Einpersonenhaushalte mit der vollen Höhe eines Rundfunkbeitrags belastet werden, wohingegen Mehrpersonenhaushalte aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung den Beitrag unter sich aufteilen können?“

Insgesamt enthält der Katalog des Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts neun Punkte, die die Intendanten ins Schwitzen bringen dürften. Denn all die bisher tabuisierten Fragen, die die GEZ-Kritiker aufgeworfen haben, macht sich Kirchhof zu eigen. Nachdem die Vorwürfe immer schärfer und die Richtersprüche immer deutlicher werden, versuchen die Anstalten, sich mit einer Reform Luft zu verschaffen. 1,2 Milliarden wollen die Sender in den kommenden acht Jahren einsparen. Doch auch dies beruhigt die Kritiker kaum. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler rechnet vor: Den Sparmaßnahmen stünden im selben Zeitraum Einnahmen von „mindestens 64 Milliarden Euro“ gegenüber. „Es sind also gerade einmal 1,9 Prozent“, schreibt er auf Tichys Einblick. 

Gleichzeitig erhöhen mehrere Printmedien den Druck auf die Öffentlich-Rechtlichen. Nach dem Streit um den Begriff „Staatssender“ zwischen der FAZ und dem Deutschlandfunk sowie der scharfen Kritik von Verleger-Präsident Mathias Döpfner an der ARD (JF 40/17, 41/17) rät nun der Spiegel den Sendern zum radikalen Neuanfang. In einem neu definierten Gesellschaftsauftrag müßten diese „Abschied nehmen vom gebührenfinanzierten Allerlei“ und den privaten Anbietern mehr überlassen: „Den Verlagen den Textjournalismus. Dem Privat-TV manche Unterhaltung. Den Streamingdiensten manche Serie.“

Noch immer steht auch die Forderung der CSU im Raum, ARD und ZDF zusammenzulegen. Die AfD wünscht sich den Beitrag sogar nur für jene, die das Programm wirklich schauen möchten. Dies würde auf ein freiwilliges Abonnement hinauslaufen, wie es Pay-TV-Sender anbieten. Mit Gehältern im sechsstelligen Bereich für Intendanten wäre es dann wohl vorbei.