© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/17 / 13. Oktober 2017

„Langfristig kommt man an uns nicht mehr vorbei“
Internetnachrichten: Das von der Telekom an Ströer verkaufte Portal t-online.de will „neues digitales Leitmedium“ werden
Christian Schreiber

Das Portal t-online.de steht für den Interneteinstieg der Deutschen. Seit mehr als 20 Jahren ist die Seite einer der Marktführer in der Bundesrepublik und steht mit rund 27 Millionen monatlichen Nutzern auf Platz zwei der Reichweiten-Rangliste hinter Ebay-Kleinanzeigen. 

Es war ziemlich überraschend, daß die Telekom dieses „Filetstück“ vor rund zwei Jahren an das Werbeunternehmen Ströer verkaufte. Die Besitzer wollen die Seite nun auch journalistisch zum „neuen digitalen Leitmedium“ machen. Dafür hat Ströer die Taschen ordentlich aufgemacht und einige personelle Duftmarken gesetzt. Der ehemalige Spiegel Online-Chefredakteur Florian Harms wurde als Chefredakteur verpflichtet. Dieser hat mit der von Spiegel Online bekannten Autorin Anja Rützel, dem ehemaligen Washington-Korrespondenten des Spiegel, Gerhard Spörl, sowie dem Recherche-Fachmann Fabian Reinbold gleich mehrere bekannte Namen von seinem ehemaligen Arbeitgeber mitgebracht. 

Ende September feierte Ströer die Einweihung der neuen T-Online-Redaktion, die von Darmstadt nach Berlin umgesiedelt worden ist. Anläßlich des Ereignisses konnte Harms einen echten personellen Coup verkünden und Christian Mutter als Chef des Social-Media-Teams präsentierten. Der Journalist wechselt zum 1. Februar von Bild, wo er als Nachrichten-Redakteur als eines der größten Talente galt. Bei T-Online steht Mutter vor der Aufgabe, die bislang vernachlässigten Social-Media-Aktivitäten überhaupt erst wirklich aufzubauen. 

Am Ende sollen mehr als 70 Redakteure im Berliner Wohlfühlbüro zwischen Skihütten- und Birkenwald-Optik arbeiten. Lange wurde T-Online als reiner Internetanbieter und nicht als Medienmarke wahrgenommen. Harms hat neue ehrgeizige Ziele, will „die Nummer eins“ werden. Konzentrierten sich die alten Macher größtenteils nur auf Agenturmeldungen, sollen künftig eigene Erklärstücke und Recherchen im Vordergrund stehen. „Langfristig“, sagt Harms, „kommt man an uns nicht mehr vorbei.“ Mit der Übernahme ist Ströer nun Deutschlands größter Anbieter von Online-Anzeigen und kann Werbevideos überall zeigen, wo auch T-Online-Inhalte laufen – also auch auf etwa 4.000 Bildschirmen in Einkaufszentren und Bahnhöfen.