© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/17 / 20. Oktober 2017

„Transparent und fair“
Baustellen in der AfD: Vorstandsmitglieder in Niedersachsen fordern außerordentlichen Parteitag / Kritik an Führungsstil von Landeschef Armin-Paul Hampel
Christian Vollradt

Immerhin eines ist klar: Bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags am kommenden Dienstag wird die AfD-Fraktion im Plenarsaal ihre Plätze rechts von der FDP einnehmen. Die Umbaumaßnahmen sind im vollen Gange; und sicher hat auch jeder Abgeordnete einen blauen Sessel für sich. Anders ist die Lage bei den Büros. Zunächst müssen sich die 92 Mandatsträger auf etwa 70 Büros verteilen. Erst wenn die scheidenden Abgeordneten im Dezember ihre Büros geräumt haben, ist genug Platz für alle.

Während die Fraktion in ruhige Fahrwasser Richtung parlamentarischer Alltag steuert, sorgten am Wochenende Medienberichte über ein angeblich von Parteichef Jörg Meuthen und dem Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland betriebenes Comeback Björn Höckes für Aufregung. Beide traten indes am Montag diesem Gerücht entgegen. 

Es gebe innerhalb des Bundesvorstands keinerlei Initiative, in den Fall Höcke einzugreifen. Das Parteiausschlußverfahren liege derzeit immer noch beim Schiedsgericht in Thüringen und werde dort zunächst entschieden, so Meuthen. Auch sein Vize Gauland wies jegliche Einflußnahme auf das laufende Verfahren zurück. Er enthalte sich zudem jeglichen Kommentars zur Person Höcke, so der Bundestagsfraktionschef. Auf die Frage, wie man zu einer Kandidatur des Thüringers für den Bundesvorstand der Partei stehe, meinte Meuthen, er werde sich „weder positiv noch negativ zu einer Kandidatur irgendeines Mitglieds der Partei äußern“.

Hinter den Kulissen, so erfährt man aus Parteikreisen, werde Höcke von Gauland und anderen sogar eher dahingehend bearbeitet, seinen Hut nicht in den Ring für ein Vorstandsamt auf Bundesebene zu werfen. Denn vorrangiges Ziel sei, Ruhe in die Partei zu bringen. Es sei indes relativ sicher, daß das Ausschlußverfahren gegen den Thüringer Landesvorsitzenden keinen Erfolg haben werde. Die Begründung, noch unter Petrys Federführung vom Gelsenkirchener Rechtsanwalt Christian Bill verfaßt (JF 8/17), sei inhaltlich äußerst dürftig und stehe juristisch auf wackeligen Füßen. Gauland machte nie einen Hehl daraus, daß er statt eines sich hinziehenden Ausschlußverfahrens mit geringen Erfolgsaussichten lieber eine schwächere, dafür schnell zu sanktionierende Maßnahme bevorzugt hätte. 

Warum sollte nun der Vorstand ausgerechnet dieses wahrscheinlich erfolglose Verfahren stoppen? Würde doch ein solcher Eingriff die innerparteilichen Gegner Höckes vor den Kopf stoßen. Damit stiege die Gefahr weiterer Austritte etwa aus den Reihen der Alternativen Mitte. 

Daß unterdessen ein Sorgenkind – der niedersächsische Landesverband – seine parteiinternen Grabenkämpfe längst nicht überwunden hat, zeigte sich noch am Wahlabend. Da wandten sich sieben Landesvorstände mit einem Schreiben überraschend an die „lieben Freunde und Parteimitglieder der AfD Niedersachsen“, in dem sie einen „Neuanfang“ forderten. Die Unterzeichner seien „überzeugt, daß eine Rückführung der Vorstandsarbeit auf das erforderliche Qualitätsniveau mit einem ‘Weiter so!’ nicht erreicht werden kann“. Es müsse, so heißt es mahnend weiter, gehandelt werden. Ziel sei zunächst die Einberufung eines außerordentlichen Parteitags, auf dem ein neuer Landesvorstand gewählt werden müsse. 

Ohne daß der Name fällt, ist klar, gegen wen sich die Initiative richtet: Landeschef Armin-Paul Hampel. „Ein Vorsitzender sollte nach unserer Auffassung transparent arbeiten, fair mit Kritikern umgehen, organisieren, strukturieren und führen können“, heißt es in dem Schreiben. Die Besonderheit daran ist, daß es nicht nur von denen unterschrieben wurde, die schon immer als Hampel-Gegner galten. So steht dort auch der Name des stellvertretenden Landesvorsitzenden Wilhelm von Gottberg, der bisher als Verbündeter des Vorsitzenden galt. 

Unter diesen Umständen dürfte die Hürde von zehn Kreisverbänden, die einen solchen außerordentlichen Parteitag einberufen können, nicht sonderlich hoch sein. Sollten sich tatsächlich noch mehr bisherige Hampel-Loyale von ihm abwenden, dürften seine Tage an der Spitze des Landesverbands gezählt sein. Spitzenkandidatin Dana Guth (siehe Seite 5), die im Lager der Hampel-Kritiker steht, wollte am Montag keine weitere Stellungnahme zu dem Schreiben abgeben. Sie sagte lediglich, sie sei davon genauso überrascht worden, wie die Journalisten auch.