© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/17 / 20. Oktober 2017

Verstörte Linke
Tumulte und Gewalt an Ständen rechter Verlage: Die freie Meinung in Wort und Schrift wird skandalisiert
Felix Krautkrämer

Heinrich Riethmüller ist zufrieden. Es ist Sonntag abend, die Frankfurter Buchmesse ist gerade offiziell zu Ende gegangen und der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ist voll des Lobes. „In den vergangenen Tagen hat sich die Buchbranche lebendig und vielfältig gezeigt und einen starken Appell für Meinungsfreiheit und Pluralismus, für eine offene und tolerante Gesellschaft von Frankfurt aus in die Welt gesendet.“

Diesen Appell für Meinungsfreiheit und Pluralismus hatten zuvor ein paar Verlage hautnah zu spüren bekommen. Der Antaios-Verlag von Götz Kubitschek beispielsweise war mehrfach Ziel von Attacken. Mal wurden Bücher mit Zahnpasta und Kaffee beschmiert, mal das Inventar des Standes gestohlen; regelmäßig wurden die Mitarbeiter bepöbelt und beschimpft. Schon zu Beginn der Messe hatte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels unter dem Motto „Für Freiheit und Vielfalt, gegen Rassismus“ gegen Antaios demonstriert.

Den Manuscriptum-Verlag traf es in der Nacht zu Donnerstag. Unbekannte stahlen alle Bücher und besudelten den Stand. Zuvor hatte der Börsenverein die Besucher aufgefordert, „Haltung“ gegen die beiden Verlage sowie die JUNGE FREIHEIT zu zeigen – und dafür auch gleich die Stand- und Hallennummern mitveröffentlicht. Allerdings war zum Zeitpunkt der oben geschilderten Attacken die Buchmesse nur für das Fachpublikum geöffnet.

Am Freitag kam es auch zu einer Auseinandersetzung am Stand der JF. Der linke Verleger Achim Bergmann (Trikont) pöbelte und krakeelte während einer Veranstaltung mit Karlheinz Weißmann zum Thema Kulturbruch 1968. Bergmann schrie herum und beschimpfte die Referenten. Nach einem Wortgefecht versetzte ihm dann ein Zuhörer einen Faustschlag ins Gesicht. Als Bergmanns weibliche Begleitung den Täter kurze Zeit später filmte, entriß dieser ihr das Handy und warf es durch die Halle. Bergmann versuchte auch, in den Stand zu gelangen, was aber von Mitarbeitern des Verlags freundlich verhindert wurde. Unter wüsten Drohungen, die JF werde auf dieser Messe keine ruhige Minute mehr haben, zog der Altrevoluzzer schließlich davon.

Weitere Störungen gab es dann am Stand von Antaios. Dort hatten am Sonnabend unter anderem Thüringens AfD-Fraktionsvorsitzender Björn Höcke sowie der Chef der Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, ihr Kommen angekündigt.

Während Höcke noch mit Kubi­tschek einen Rundgang über die Messe machen und einer Diskussionsveranstaltung des Antaios-Verlags beiwohnen konnte, mußte das geplante Messegespräch mit Sellner wegen linksradikaler Proteste abgebrochen werden. Störer hatten begonnen, Parolen zu rufen, worauf ihnen Mitglieder der Identitären Bewegung mit „Jeder haßt die Antifa“ antworteten. Die Situation schaukelte sich immer weiter auf, und die Polizei mußte zahlreiche Beamte einsetzen, um die beiden Lager voneinander zu trennen. Irgendwann erklärte dann die Messe, die von Antaios gemietete Zeit für das Forum sei nun abgelaufen, der Verlag müsse die Veranstaltung deshalb beenden.

Messe: Lehnen politische Haltung der Rechten ab

In diesem Zusammenhang machte auch Nico Wehnemann von der Satirepartei „Die Partei“ unfreiwillig Bekanntschaft mit dem Hallenboden. Er hatte versucht, eine Absperrung zu durchbrechen und war von einem Sicherheitsmann der Messe zu Boden gebracht worden. Auf Twitter veröffentlichte der Frankfurter Stadtverordnete hinterher ein Foto der Szene und klagte, die Polizei hätte nur zugeschaut, während ein „Nazi“ auf ihm gelegen habe.

Sein Parteifreund, der frühere Titanic-Chefredakteur Leo Fischer, verbreitete im Anschluß das Märchen, Wehnemann sei von einem „Nazi“ unter „Sieg Heil“-Rufen zusammengeschlagen worden. Videos des Vorgangs zeigen jedoch, daß Fischer sich die Darstellung ausgedacht hatte. Das hielt mehrere Medien nicht davon ab, die Fischer-Wehnemann-Geschichte zu verbreiten. „Rechtsradikale prügeln gegen Linke auf Buchmesse“, titelte beispielsweise das Neue Deutschland.

Die Buchmesse selbst verteidigte am Sonntag abend ihre Entscheidung, auch rechte Verlage zugelassen zu haben. Die Messe sei ein Ort, der von einer Vielfalt an Meinungen lebe, sagte Messedirektor Juergen Boos, um sogleich zu versichern: „Wir lehnen die politische Haltung und verlegerischen Aktivitäten der Neuen Rechten entschieden ab.“





Pressestimmen

Eine Gesellschaft, in der schon die schiere Präsenz von Verlagen jenseits des Mainstreams ein Politikum ist, hat mit Meinungsfreiheit ein Problem. Eine Branche, die sich bereits bei Eröffnungsreden in Rechtfertigungsrhetorik ergeht, vergißt, daß die Buchmesse bei aller Content-Beschwörung keine Gesinnungsbehörde ist. Wer verlegerisch auf dem Boden des deutschen Grundgesetzes agiert, soll und muß unbescholten ausstellen dürfen. Alles andere wäre ein Ministerium für Wahrheit.

Die Welt, 15. Oktober


Wie umgehen mit Rechts? Das war eines wichtigsten Themen dieser Buchmesse in Frankfurt, die am Sonntag abend ihre Türen schließt. Dabei wurde aber nicht nur von Problemen, sondern viel von Lösungen gesprochen. Am Ende steht fest: Wir müssen im Gespräch bleiben.

Deutschlandfunk, 15. Oktober


Die im Vorfeld der Messe erhobene Forderung, Verlagen, die der politischen Rechten nahestehen, gar nicht erst den Zugang zur Messe zu gewähren, ist durch den Eklat nicht im nachhinein bestätigt worden.

Süddeutsche Zeitung, 15. Oktober


Die Publizistin Liane Bednarz, die mit Vehemenz gegen Rechts anschreibt und nach eigenen Angaben Augenzeugin der Vorfälle auf der Buchmesse war, hat auf Facebook erklärt, die Aggression sei in diesem Fall klar von seiten der linken Demonstranten ausgegangen, was sie verurteilt. Sie schreibt: „Die Auseinandersetzung mit den Rechten läuft über das Argument. Und da hat das nicht-rechte Denken alle Karten für sich. Man muß die Debatte offensiv führen. Niederbrüllen verhindert sie.“          

Meedia.de, 16. Oktober


Um so verstörender also die Gewalttätigkeiten rund um die Rechtsaußen-Verlage. Solche stellten schon immer mal auf der Messe aus, stets in verschwindend kleiner Zahl und in der Regel unter dem Radar dümpelnd. Doch damit ist es vorbei, seit die AfD in den Bundestag gewählt worden ist.

Kölner Stadt-Anzeiger, 16. Oktober


Und doch ist die Buchmesse diesmal anders. Sie steht unter faschistischem Einfluß, atmosphärisch. Eine kalte Unterströmung im Meer des lauwarmen Liberalismus. Die Rechten waren auf der Messe schon früher präsent, aber jetzt merkt man sie.         

Junge Welt, 16. Oktober


Und die Linke? Sie hat sich provozieren lassen und stand am Schluß dieser Buchmesse doofer da, als sie ist. Der Versuchung, gnadenlos zu vereinfachen, gab sie ohne viel Federlesens nach. Aber die Frankfurter Buchmesse ist kein Wohnviertel, sie ist auch kein Fußballverein und keine Zeitungsredaktion. Sie ist ein Diskursraum. Und es wäre gefährliches wishful thinking, zu glauben, daß die Neue Rechte daraus einfach wieder verschwinden wird. Das wird sie nämlich nicht.       

taz, 16. Oktober


Nun meinen manche, man solle „rechte Verlage“ doch lieber von der Buchmesse ausschließen. Das ist weder wünschenswert noch praktikabel. Wer, bitteschön, soll denn festlegen, was ein „rechter Verlag“ ist? Dafür fehlt es in unserem Land – Gott sei Dank – an Behörden, die solche Gesinnungsprüfungen vornehmen könnten.                                                     

Ernst Piper in der Welt, 16. Oktober