© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/17 / 20. Oktober 2017

Grüße aus Athen
Wer weiß, wie lange noch
Dimitris Papageorgiou

Vergangene Woche verabschiedete das griechische Parlament ein neues Gesetz: Künftig darf in Griechenland die geschlechtliche Identität ohne vorherige ärztliche Untersuchung oder sonstige Auflagen geändert werden. Wie kaum anders zu erwarten stand, gab es weder in den Medien noch bei der Mehrheit der politischen Parteien ernsthaften Widerspruch gegen die neue Regelung. 

Konkret bedeutet dies, daß von nun an ein fünfzehnjähriger Junge mit dem schriftlichen Einverständnis seiner Eltern oder Erziehungsberechtigten auf ein Amt gehen und es als Mädchen wieder verlassen kann. Sollten die Eltern damit nicht einverstanden sein, kann besagter Junge sie wegen Verletzung der Menschenrechte verklagen. 

Den Namen zu ändern, ist einfach. Das Geschlecht zu ändern, womöglich noch einfacher. Sich von der Familie und sonstigen sozialen Bindungen loszusagen, ist ebenfalls kein Problem. Die Kirche kommt in den amtlichen Dokumenten erst gar nicht vor. Die einzig verbleibende „heilige Kuh“, an der sich niemand vergreifen darf, ist die Steuernummer. Denn aus ihr geht schließlich hervor, wie hoch die Steuern sind, die die betreffende Person dem kurz vor dem Scheitern stehenden griechischen Staat schuldet.

Geschlecht, Namen – gesellschaftliche Konstrukte, die geändert werden können.

Heutzutage muß man sogar beim Kauf einer elektronischen Fahrkarte für die Athener Metro die Steuernummer angeben. In der schönen neuen Welt, die Syriza in Griechenland aufbaut, können wir uns in der Gewißheit geborgen fühlen, daß wenigstens ein Merkmal unserer Identität unwandelbar ist: die Steuernummer. 

Tatsächlich ist diese Einsicht in dem zentralisierten Euro-Staat, in dem wir zunehmend leben, nur folgerichtig – einem Staat, der mehr Zeit darauf verwendet, die Kapazität von Kaffeemaschinen zu standardisieren, als im Interesse seiner Bürger zu regieren. Da frage ich mich doch glatt, wie lange es dauern wird, bis unsere sozialistische Regierung auf die Idee kommt, Geschlecht und Namen eines neu geborenen Kindes gar nicht erst amtlich zu erfassen – schließlich handelt es sich in beiden Fällen um gesellschaftliche Konstrukte, die jederzeit beliebig geändert werden können. 

Insofern ist es vollkommen ausreichend, jedem Bürger eine Steuernummer zuzuweisen, anhand derer er sich sein Leben lang eindeutig identifizieren läßt. In diesem Sinne: Viele Grüße aus Athen. Noch habe ich einen Namen – wer weiß, wie lange noch.