© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/17 / 27. Oktober 2017

Richter und Staatsanwälte schlagen Alarm
Der Rechtsstaat ist am Ende
Nicolaus Fest

Die Hilferufe kommen immer öfter: Die Berliner Polizei sieht sich unterbesetzt und überfordert, ebenso die Berliner Staatsanwaltschaft. Nun hat das Landgericht Alarm geschlagen: Nur noch Haftsachen würden derzeit bearbeitet, alles andere, selbst bei schweren Straftaten, auf St. Nimmerlein verschoben – mit der Folge von Beweisverlust, Verjährung, Einstellung. Nicht selten würden Straftäter aus der Untersuchungshaft entlassen, weil die Hauptverhandlung nicht rechtzeitig eröffnet werden konnte. So liefen immer mehr Kriminelle unbehelligt durch die Stadt. 

Das ist nicht nur in Berlin so. Auch der Deutsche Richterbund warnt vor einer „schleichenden Erosion des Rechtsstaats“. Da liegt er falsch. Der Rechtsstaat erodiert nicht; er ist am Ende. Denn nicht nur an den Strafkammern ist die Lage katastrophal; ebenso ist es bei Zivil- und Verwaltungsgerichten. Daß Bürger schon in erster Instanz viele, viele Monate auf einen Termin warten, ist gängige, trostlose Praxis. Doch was ist ein Rechtsstaat, der seinen Bürgern nicht zügig und konsequent zu ihrem Recht verhilft? Der Rechtsstaat ist so kaputt wie die deutschen Straßen, Brücken, Schulen. Auch dies ist eine Leistung der Altparteien.






Dr. Nicolaus Fest ist Journalist und Jurist