© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/17 / 27. Oktober 2017

Mehr als 130.000 Deutsche verlassen jährlich ihre
Heimat Braindrain
Jörg Fischer

Während die vom Wähler bestätigte Willkommenskultur Deutschland auch ohne Einwanderungsgesetz millionenfachen Zuzug beschert, gibt es eine stille Gegenbewegung: 138.273 Deutsche verließen im Grenzöffnungsjahr 2015 ihre Heimat. Die meisten (18.266) gingen laut Statistischem Jahrbuch 2017 in die Schweiz, gefolgt von den USA (13.438), Österreich (10.239) und Großbritannien (8.917). Sogar ins angeblich fremdenfeindliche Australien zog es 4.859 Deutsche. Nur 7.819 der Auswanderer waren sonnensuchende Senioren, 14.317 waren im Studentenalter. Die Mehrheit verließ das Land, „in dem wir gut und gerne leben“, im besten Erwerbsalter.

Dieser Trend dürfte anhalten, wie ein Blick auf den Ärztemangel zeigt. 2016 meldete die Bundesagentur für Arbeit 2.000 offene Stellen für Ärzte – gleichzeitig beklagte die Bundesärztekammer (BÄK) 2015 die Auswanderung von 1.251 deutschen und 892 ausländischen (meist mitteleuropäischen) Ärzten. Im Gegenzug stieg die Zahl der in Deutschland gemeldeten ausländischen Ärzte um 2.943: „Der größte Zustrom konnte aus Syrien (493) verbucht werden, es folgen Serbien (206), Rumänien (205), Rußland (159), Bulgarien (127) und Ägypten (125)“, so die BÄK. „Braindrain“ wird die Abwanderung der Intelligenz einer Volkswirtschaft genannt – und das passiert längst auch in Deutschland.

Natürlich locken Alpenpanorama oder Sonnenschein, aber der Hauptgrund ist banal: In den USA können deutsche Chefärzte mit umgerechnet 185.000 bis 450.000 Euro Jahresgehalt rechnen, in Australien mit 135.000 bis 400.000 Euro, in der Schweiz oder im staatlichen britischen Gesundheitswesen sind es laut KPMG bis zu 210.500 Euro, in Dänemark bis zu 224.100 Euro. In Deutschland stehen nur nur 79.500 bis 123.400 Euro in Aussicht. Und da das analog für viele Fachkräfte gilt, dürfte die Abstimmung mit den Füßen anhalten.

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