© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/17 / 27. Oktober 2017

Ministerpräsidenten vertagen Beschlüsse
ARD und ZDF: Die Sparvorschläge der Öffentlich-Rechtlichen gehen den Länderchefs nicht weit genug
Paul Leonhard

Das Erste Deutsche Fernsehen wird „kein Schaufenster der Regionen“, wie es sich Sachsen-Anhalts Staatskanzleichef Rainer Robra (CDU) gewünscht hatte. Das ist das einzige konkrete Ergebnis zur geplanten Reform der öffentlich-rechtlichen Sender, mit der sich die Ministerpräsidenten der Länder auf ihrer Tagung in Saarbrücken beschäftigt haben. Durchgreifende Beschlüsse sollen erst auf der nächsten Konferenz am 1. Februar gefaßt werden.

Bis dahin bleibt es bei Absichtserklärungen: „Wir haben ein deutliches Bekenntnis der Länder zu einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seinem umfassenden Auftrag für unsere Gesellschaft gehört“, sagte ARD-Vorsitzende Karola Wille der Deutschen Presseagentur. Man werde die „tiefgreifenden Reformvorhaben, die die ARD in ihrem Zukunftspapier vorgelegt hat, konsequent umsetzen“.

Das Aufatmen darüber, daß Robras Vorstoß offenbar mit niemandem abgesprochen war, ist bei Wille unüberhörbar. Denn die Forderung, allein das ZDF als nationalen Sender zu erhalten, und die ARD-Programme stärker zu regionalisieren und so die Landesrundfunkanstalten zu stärken, beruht darauf, daß sich die neuen Bundesländer in der Berichterstattung der ARD „nicht ausreichend repräsentiert“ fühlen, wie ZDF-Fernsehratsmitglied Robra dem Mitteldeutschen Rundfunk sagte.

Beifall erhält Robra von den privaten Sendern. Man solle sich Zeit zum Nachdenken nehmen und nicht jede neu entstehende Diskussion sofort im Keim ersticken, sagte Claus Grewenig, Leiter Medienpolitik bei RTL. Björn Böhning, Berlins Senatskanzleichef, lehnt zwar Robras Vorschlag ab, plädiert aber für die Abschaffung von Kanälen wie Tagesschau 24, ZDFinfo oder Phoenix zugunsten eines einzigen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanals. Angesichts von 21 Fernsehsendern und 66 Hörfunkprogrammen hält es Fritz Jaeckel (CDU), Chef der Sächsischen Staatskanzlei, für möglich, „auch mal einen Fernsehsender“ einzusparen, ohne daß es Abstriche an der Programmqualität gibt.

Sender sollen mehr Rechte im Internet erhalten

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die die Rundfunkkommisision der Länder leitet, ist mit den vorgelegten Sparvorschlägen unzufrieden: „Wir brauchen weitere Maßnahmen und Reformschritte.“ Bisher haben sich die Sender nach einer Sondersitzung der Rundfunkkommission mit den Intendanten zu Einsparungen von knapp zwei Milliarden Euro bis 2028 bekannt. Gespart werden soll beispielsweise bei Tontechnikern, aber nicht bei den Millionen-Gehälter der Intendanten. Das Einsparpotential würde sich „bei genauem Hinsehen aber als Peanuts“ entpuppen, konstatiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die Sender würden nur vorgeben, schlanker und effektiver werden zu wollen, ihr Ziel sei jedoch, „noch weiter zu wachsen“ und „sämtliche gesetzliche Beschränkungen loszuwerden“. Ein Beispiel dafür ist die Idee eines automatisch steigenden Rundfunk(zwangs)beitrags.

Andererseits haben die Länderchefs in Saarbrücken signalisiert, den Öffentlich-Rechtlichen entgegenzukommen. Die „Verweildauer“ von Sendungen im Netz soll nicht mehr auf sieben Tage begrenzt sein, sondern künftig „aufwendungsneutral und zeitgemäß ausgedehnt werden“, so Dreyer. Welche Inhalte und wie lange sie auf Internetseiten, in Apps oder in den sozialen Netzwerken gezeigt werden dürfen, bleibt strittig.

Die Zeitungsverleger protestieren schon lange gegen diese „gebührenfinanzierte digitale Staatspresse, die den Wettbewerb verzerrt und uns Presseverlagen kaum Entfaltungsmöglichkeiten läßt“, wie Mathias Döpfner, Zeitungsverlegerpräsident und Springer-Chef, während des BDZV-Kongresses in Stuttgart gegen die „mit öffentlich-rechtlichen Geldern finanzierte Flut textbasierter Gratisangebote“ wetterte.

Das Verbot presseähnlicher Angebote müsse „weiter konkretisiert“ werden, räumte Dreyer ein. Apps müßten künftig vor allem audiovisuell und nicht textbasiert sein. Es sei aber nicht vorstellbar, daß die öffentlich-rechtlichen Sender „nicht die Möglichkeit haben, auch online bestimmte Dinge zu tun“. Aktuell sind laut Rundfunkstaatsvertrag ARD und ZDF „nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote“ verboten.

Eine Einigung hat es nach Angaben Dreyers bei der Datenschutz-Grundordnung und der „Betrauungsnorm“ gegeben, nach der öffentlich-rechtliche Anstalten zusammenarbeiten dürfen, ohne gegen das Wettbewerbsrecht zu verstoßen. Auch wenn der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) darin „unverhältnismäßige Wettbewerbsvorteile gegenüber kommerziellen Wettbewerbern“ sieht, wird beides wohl Bestandteil der 21. Änderung des Rundfunkvertrages im Dezember sein. Anfang 2018 will die Rundfunkkommission ihren endgültigen Bericht über die Strukturreformen vorlegen, der dann bis zur nächsten Änderung des Rundfunkstaatsvertrags verhandelt wird.