© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/17 / 27. Oktober 2017

Knapp daneben
Die Wirtschaft ist für die Menschen da
Karl Heinzen

Wettbewerb verdirbt die Preise. Davon weiß die Deutsche Lufthansa ein Liedchen zu singen. Als die Billigflieger aufkamen, glaubte sie zunächst, sich in Sicherheit wiegen zu dürfen. Den lukrativen Markt der Geschäftsreisenden würde ihr schon niemand streitig machen. Welches Unternehmen könnte es seinen gestreßten Managern schließlich zumuten, beim andauernden Herumjetten auf Nimbus und Komfort der Edelmarke zu verzichten? Sich mit dem Touristenpöbel herumzuschlagen, der so billig wie möglich in die Bettenburgen des Südens gekarrt werden möchte, überließ die Lufthansa daher gerne anderen. Leider fingen die Firmen jedoch irgendwann an, auf die Reisekosten zu achten. Auf der Kurz- und Mittelstrecke tummeln sich seither in den beengten Sitzreihen der Sparpreisanbieter auch die Anzugträger. Der Lufthansa blieb nichts anderes übrig, als mit eigenen Billigmarken in die Niederungen des Krethi-und-Plethi-Geschäfts hinabzusteigen. Eine glückliche Hand hat sie dabei nicht gehabt.

Die Preise steigen, die Gehälter sinken. Klar, daß der Verantwortliche dafür anständig honoriert wird.

Der Zufall einer ihren Interessen aufgeschlossenen Politik erlaubt es nun aber, sich wenigstens des lästigsten Mitbewerbers auf dem deutschen Heimatmarkt zu entledigen. Air Berlin hat den ihm zugedachten Weg in die Insolvenz gefunden. Das Gros des Erbes tritt die Lufthansa an. Neue Marktbedingungen zeichnen sich ab. Auf die Kunden kommen höhere Preise zu. Das übernommene Personal muß drastische Gehaltskürzungen hinnehmen. Es ist daher verständlich, daß derjenige, der diesen Übergang maßgeblich mitgestaltet hat, dafür anständig honoriert wird.

Anfang des Jahres erst hat Thomas Winkelmann sein schwieriges Amt als Air-Berlin-Chef angetreten. Sein Grundgehalt von jährlich 950.000 Euro ist ihm bis Januar 2021 ebenso garantiert wie ein Mindestbonus in Höhe von 400.000 Euro für 2017. Die Last, die er dafür auf sich nimmt, ist gewaltig. Die Geringverdiener aus Politik und Parlamenten überziehen ihn parteiübergreifend mit einer Neidkampagne. „Die Wirtschaft ist für die Menschen da – nicht umgekehrt“, zetert SPD-Gerechtigkeitsexperte Ralf Stegner. Genau dies hat Thomas Winkelmann beherzigt.