© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/17 / 03. November 2017

Der Gottseibeiuns der Eliten
Donald Trump hat bislang weniger erreicht, als seine Fans erhofft und seine Kritiker befürchtet haben
Michael Paulwitz

Ein Jahr Donald Trump, und die Welt ist immer noch nicht untergegangen, die US-Wirtschaft ist nicht zusammengekracht, der Dritte Weltkrieg noch nicht ausgebrochen. Nur Hillary Clinton und ihr trans­atlantischer Fanclub hadern immer noch mit den vermeintlich finsteren und unbegreiflichen Mächten, die die demokratische Linke um den sicher geglaubten Wahlsieg gebracht haben, der ihr doch natur- und schicksalhaft zuzustehen schien.

Mit der Entdämonisierung des 45. Präsidenten tun sich nicht nur US-Liberale schwer – „liberal“ steht im Amerikanischen für „links“ –, sondern auch die Mehrheit der deutschen Medien. Die Hoffnungen, der Außenseiter mit dem hemdsärmeligen Gestus und der mitunter rüpelhaften Rhetorik werde bald genug an den institutionellen Widerständen im Machtapparat und der eigenen Partei scheitern, haben sich nicht erfüllt, so eifrig man auch jeden kritischen Ton eines Hinterbänklers und selbst den Tadel des retirierten früheren Gottseibeiuns George W. Bush breittreten und alberne Ferndiagnosen von einigen Dutzend Psychiatern als Bestätigung liebgewordener Vorurteile bejubeln mag.

Tatsächlich hat Donald Trump seine Machtposition gefestigt, seit er im Januar ins Weiße Haus eingezogen ist. An der Parteibasis ist seine Beliebtheit ungebrochen und nimmt sogar zu. Für Trump ist das, anders als die wechselnden Popularitätswerte in landesweiten Umfragen, die entscheidende Marke. Auch die harsche Kritik, die zuletzt die Senatoren Jeff Flake und Bob Corker äußerten, war nicht das Fanal zum Aufstand, sondern der Abgesang von Gescheiterten, die wegen Aussichtslosigkeit nicht zur Wiederwahl antreten.

Trump-Kandidaten waren bei den Wahlgängen dieses Jahres für die Republikaner erfolgreich. „Breitbart“-Chef Steve Bannon hat daran publizistisch emsig mitgewirkt; daß Trump ihn als Chefberater aus dem Weißen Haus feuern mußte, ist im nachhinein durchaus keine Niederlage. „Trump hat die Partei übernommen“, räumt selbst Spiegel Online zähneknirschend ein.

Innenpolitisch ist Trumps Bilanz nicht so negativ wie meist hingestellt. Sein Projekt einer großen Steuerreform kommt voran und hält die eigene Partei zusammen; bei der Korrektur der Obama-Gesundheitsreform stellt Trump per Dekret immerhin Mißstände ab. Trumps Maßnahmen gegen illegale Einwanderung und Einreisen aus terrorgefährlichen, meist muslimischen Ländern wirken, trotz erbitterter Widerstände, bereits durch die ausgesandten Signale und konsequenteres Vorgehen der Behörden. Mit seiner Kriegserklärung an Drogen und Medikamentenmißbrauch hat der 71jährige einen weiteren scharfen innenpolitischen Akzent gesetzt.

Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten weisen, anders als von Schwarzsehern prophezeit, deutlich nach oben. Dabei greift sowohl der Abbau von administrativen Hindernissen und Überregulierungen, den Trumps Minister beharrlich vorantreiben, während er das öffentliche Feuer auf sich zieht, als auch die Abkehr von der ideologischen „Klimaschutz“-Politik seines Vorgängers, die mit der von Trump in Gang gesetzten „fossilen Energiewende“ faktisch beerdigt wird. Auf der Risikoseite steht die Gefahr, durch eine zu forsche Banken-Deregulierung eine neue Finanzkrise heraufzubeschwören.

Auch das politische Klima in den USA hat die Präsidentschaft Donald Trumps bereits verändert. Sein Kommunikationsstil, der auf eigene Kanäle und soziale Netzwerke setzt, drängt den Einfluß der linksliberalen Mainstream-Medien zurück. Deren Lobby-Kartelle hat er durch seine kritischen Stellungnahmen zum linken Meinungs- und Straßenterror direkt herausgefordert.

Trump wolle die USA „wie ein Unternehmen“ führen, wird gern mit mehr oder weniger kritischem Unterton angemerkt. Zutreffend ist das auf die pragmatische und unideologische Art des Präsidenten, politische Herausforderungen von Einwanderung über Handels- bis zur globalen Sicherheitspolitik unter dem Blickpunkt des ökonomischen Nutzens und der Vorteilswahrung für das eigene Land anzugehen, die hinter den oft schrillen und bisweilen schlicht grotesken Einlassungen des Präsidenten gern übersehen wird. Ob Protektionismus den USA unterm Strich eher nutzt oder schadet, sei dahingestellt; für die faktische Entsorgung des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP müßten Trump gerade seine linken Kritiker dankbar sein.

„Unternehmerisch“ wirkt auch die Fähigkeit Trumps, Aussagen und Entscheidungen rasch zu korrigieren und an veränderte Lagen anzupassen. Das geht freilich, wie auch das dadurch in Gang gesetzte beispiellose Personalkarussell, bisweilen zu Lasten der politischen Konsistenz. Gegenüber Moskau hat Trump, getrieben vom über den Wahlkampf hinaus verlängerten Phantom russischer „Wahlmanipulationen“, bis heute keine stringente Linie gefunden. Das steht – ebenso wie der zuletzt unter steigendem Einfluß von „Neocon“-Beratern verstärkte Konfrontationskurs mit Iran – auch einer stabilisierenden Lösung des in Irak und Syrien angerichteten Chaos entgegen, nachdem zunächst in stillschweigendem amerikanisch-russischem Einvernehmen die Zurückdrängung des „Islamischen Staates“ durchaus gelungen ist.

Daß die Trump-Regierung gegenüber dem Iran den Ton verschärft und die Rußland-Sanktionen weiter vorantreibt, läuft deutschen und europäischen Interessen zuwider, während es der amerikanischen Wirtschaft nutzt oder jedenfalls nicht wehtut. Das ist nichts Ungewohntes; neu ist, daß die messianischen Begründungen in den Hintergrund treten. In seiner Rede vor den Vereinten Nationen im September entwarf Trump das Bild einer Gemeinschaft souveräner Nationen, die ihre eigenen Interessen wahren und die der anderen respektieren. Statt nörgelnd in der Ecke zu stehen, sollten Deutsche und Europäer diese Ansage beim Wort nehmen.