© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/17 / 03. November 2017

Im Dunst der Korruption
Island: Die konservativ-liberale Regierung ist abgewählt / Schwierige Koalitionsgespräche erwartet
Auðunn Arnórsson

Zum zweiten Mal in einem Jahr fanden Wahlen in Island statt. Dabei  wurde die bürgerliche Koalition, die erst seit Januar im Amt war, klar abgewählt. Ihre Parteienkoalition, bestehend aus der Unabhängigkeitspartei, der liberalen Reformpartei (Viðreisn) und der linksliberalen „Bright Future“ („Glänzende Zukunft“), verlor insgesamt 12 von 32 Mandaten, die für die Mehrheit im 63sitzigen Althing nötig sind. Letztere hatte die Regierung im September aufgrund von Korruptionsvorwürfen verlassen. 

Auslöser dafür war, daß der Vater von Premier Bjarni Benediktsson sich dafür eingesetzt hatte, das Strafregister eines Sexualverbrechers zu löschen. Die Vertuschung dieses Vorfalls brachte das Faß zum Überlaufen. Pech für die „Glänzende Zukunft“. Mit nur noch 1,2 Prozent der Stimmen verfehlte sie den Wiedereinzug ins Parlament deutlich.

 Dagegen konnte die führende Partei der Regierung, die konservative Unabhängigkeitspartei des bisherigen Ministerpräsidenten Benediktsson – wenn auch geschwächt –, mit 25,2 Prozent (minus 3,8 Prozentpunkte; 16 Sitze) ihre Position als stärkste politische Kraft verteidigen. Dennoch ist unklar, was für eine Koalition die abgewählte Regierung  ersetzen wird. Koalitionsverhandlungen könnten entsprechend lange dauern. 

Noch nie ist das Parlament der Inselrepublik so fragmentiert gewesen wie jetzt. Acht Parteien schafften den  Sprung über die Fünfprozenthürde, davon zwei neue. Diese Parteien – beide mit starken populistischen Elementen – sind die Hauptgewinner der Wahl: die sozial engagierte „Partei des Volkes“ einerseits (vier Mandate) und die vor einem Monat neu geschaffene „Zentrumspartei“ von Ex-Premier Sigmundur D. Gunnlaugsson andererseits (7 Mandate). 

Der EU-kritische Premier (Fortschrittspartei) war im April 2016 im Zuge der Enthüllungen der „Panama Papers“ (JF 27/16) zurückgetreten. Keinem der beiden Neuankömmlinge werden jedoch große Chancen auf Teilnahme an einer Regierungsbildung nachgesagt. 

Der von Umfragen vorhergesagte Linksrutsch ist ausgeblieben; die Links-Grünen, die vor nur ein paar Wochen mit bis zu 30 Prozent Gefolgschaft in Umfragen gemessen wurden, mußten sich mit 17 Prozent (11 Sitze) und nur einem Mandatsgewinn zufriedengeben. Die Sozialdemokraten konnten sich nach der historischen Niederlage in den Wahlen vor einem Jahr erholen und sind mit rund 12 Prozent der Stimmen (7 Sitze) neben dem Zentrum drittstärkste Kraft.

 Ihre Partner in der bisherigen Opposition, die Piraten, schrumpften von zehn auf sechs Mandate. Zusammen kommen diese drei mehr oder weniger formell alliierten Parteien links der Mitte auf eine Mandatszahl von 24. Sie können daher nicht behaupten, daß der Wähler ihnen das Mandat zur Regierungsübernahmne gegeben hätte. 

Da aber diese drei plus die vierte bisherige Oppositionspartei, die Fortschrittspartei (8 Sitze), zusammen auf eine Mehrheit von 32 Sitzen kommen, erklärte die links-grüne Parteichefin Katrín Jakobsdóttir, daß diese vier kooperieren sollten. Um eine solche Koalition stabiler zu machen als die jetzt gestürzte wird erwartet, daß sie um noch einen fünften Partner ergänzt werden müßte. Dies könnte die liberale Viðreisn sein, die bis dato den Finanzminister stellte.