© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/17 / 03. November 2017

Häuptlinge und Indianer müssen gehen
Auflagenverluste: Bei Springer und „FAZ“ stehen Konsequenzen an / Mitarbeiter sind verunsichert
Ronald Berthold

Das Wort „Panik“ klingt vielleicht ein bißchen zugespitzt, aber wer sich dieser Tage mit Journalisten von Axel Springer unterhält, der spürt die großen Sorgen der Mitarbeiter des Zeitungshauses. Mit den Auflagen von Bild (-10,5 Prozent), BamS (-11,0 Prozent) und Welt am Sonntag (-8,2 Prozent) ging es aktuell gerade weiter radikal nach unten. Im dritten Quartal verloren diese Blätter erneut überdurchschnittlich. Nun ist die schlechte Stimmung unter den Redakteuren sogar zu Vorstandschef Mathias Döpfner vorgedrungen, der von einer Belegschaft „in Angst und Panik“ spricht.

Döpfner warnt vor „Angst“ und „Panik“

Was ist in dem Kreuzberger Hochhaus los? Döpfner plane – so die Mutmaßungen der Belegschaft – einen radikalen Umbau der wenigen verbliebenen Titel aus der journalistischen Sparte. Anlaß sind seine angeblichen Bestrebungen, Digital und Print wirtschaftlich zu trennen. Die Online-Medien sollten in einer sogenannten „Fortschritts-AG“ gebündelt werden. Die Printprodukte, die unter der massiven Leser- und Anzeigenflucht leiden, würden dagegen in einer Art „Bad Bank“, wie es der Mediendienst Meedia formuliert, landen: der sogenannten „Holz-AG“. Die Mitarbeiter fürchten, am Ende könnte Döpfner das traditionsreiche Haus zu einem reinen Digitalunternehmen machen. Nach dem Verkauf zahlreicher Titel wie Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost, Bild der Frau und Hörzu könnten nun die Bild- und die Welt-Gruppe dran glauben müssen.

In einem Gespräch mit seinen Betriebsräten wollte der Springer-Chef diese Gerüchte eigentlich zerstreuen. Erreicht hat er das Gegenteil. Denn er bestätigte gegenüber den Arbeitnehmervertretern, daß er eine Entlassungswelle plane. Döpfner sagte, daß es sowohl „bei den Häuptlingen als auch in reduziertem Umfang bei den Indianern Personalanpassungen geben wird“. Auf den Ressortleiter-Etagen geht nun erst recht das große Zittern los. Die „Häuptlinge“ und ihre Mannschaften schreiben an den Lesern vorbei, und das wird nun – dem wirtschaftlichen Niedergang geschuldet – Konsequenzen haben. Von einer dreistelligen Zahl an Kündigungen sprechen Personalratsmitglieder.

Döpfner appelliert dennoch, daß sich seine Untergebenen keine Sorgen machen sollten: „Eine Belegschaft, die in Angst und Panik gerät, weil sich irgend etwas als Gerücht verselbständigt, das ist nicht gut für dieses Unternehmen.“ Die Spekulationen um eine Zerschlagung des Unternehmens dementierte er zwar: „Es wird keinen Verkauf geben, es wird keinen Börsengang geben, es wird keine Abspaltung geben.“ Aber die Unruhe im Haus bleibt, weil nun viele um ihren Job fürchten. 

Nicht viel besser sieht es bei dem anderen einstigen konservativen Zeitungshaus in Deutschland aus. Auch bei der FAZ breitet sich Unsicherheit aus. Die Tageszeitung verlor aktuell 4,2 Prozent an Auflage, die Sonntagszeitung 1,8 Prozent. Der Abwärtstrend der vergangenen Jahre setzt sich fort. Beide liegen in der verkauften Auflage noch hinter den darbenden direkten Konkurrenten von Springer, Welt und WamS. Auch das großangelegte Projekt Frankfurter Allgemeine Woche kommt überhaupt nicht aus den Startlöchern. Gerade einmal 28.500 Hefte verkauft der Verlag davon.

An der Hellerhofstraße ist die Not offenbar inzwischen so groß, daß man das Verlags- und Redaktionsgebäude verkaufen muß. Offiziell heißt es, man wolle die Erlöse in zukunftsträchtige Projekte investieren. Doch Beobachter zweifeln, ob das die ganze Wahrheit ist. Das Haus hat sehr teure Journalisten unter Vertrag, die für immer weniger Leser schreiben. In den vergangenen 15 Jahren hat die FAZ mehr als 40 Prozent ihrer Abonnenten und Kioskkäufer verloren – rund 141.000.

Und auch um die beiden zum Verlag gehörenden Titel Frankfurter Rundschau und Frankfurter Neue Presse steht es offenbar besorgniserregend schlecht. Aus den Auflagen der beiden Tageszeitungen machen die Verantwortlichen mittlerweile ein Geheimnis. Sie weisen gar keine eigenen Quartalszahlen mehr aus. Jetzt sollen sie Mitbewerbern auch noch wie Sauerbier angeboten worden sein. Das war jedenfalls auf dem Kongreß des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger hinter vorgehaltener Hand zu hören. Der Verlag dementiert nicht wirklich. Man beobachte den „deutschen Medien-Markt kontinuierlich“, wie die FAZIT-Stiftung, der die FAZ und die anderen Blätter gehören, erklärte. Es sei „üblich“, daß die Eigentümer „regelmäßig Optionen und Perspektiven für ihre verschiedenen Zeitungstitel“ prüften. Von „heller Aufregung“ unter den Mitarbeitern spricht Meedia. Döpfner würde es wohl „Angst und Panik“ nennen.