© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/17 / 03. November 2017

Hochschulen und ihre Managementrhetorik: Bildungsziel Arbeitsmarktfähigkeit
Kein Platz für gelehrte Käuze
(dg)

Leopold von Ranke las einschläfernd seine Kolleghefte vor. Heinrich von Treitschke, der taub war, bellte sein Auditorium an und versäumte in keiner Vorlesung, in die Tagespolitik abzuschweifen. Friedrich Meinecke bekam sein Stottern erst mit Mitte Vierzig in den Griff. Drei berühmte, aber didaktisch eigenwillige Berliner Historiker, die exemplarisch für Generationen deutscher Hochschullehrer stehen, denen aufgrund des neuen, vom Wissenschaftsrat vorgelegten Positionspapiers zur Verbesserung von „Lehrstrategien“ ein Berufswechsel nahegelegt werden würde. Persönlichkeiten, Genies und Käuze sind in den „unternehmerischen Hochschulen“ der Bundesrepublik, die Bildungsinhalte durch die Ausrichtung ihres Unterrichts auf „Arbeitsmarktfähigkeit“ ersetzen, nicht mehr eingeplant. Was die Bielefelder Soziologen Stefan Kühl und Marcel Schütz zur sarkastischen Kommentierung der neuesten Ausgeburt dieses „modernen und effizienten Qualitätsmanagements- und Qualitätsentwicklungssystems“ provoziert, das Forschung und Lehre fest im Griff habe (Forschung & Lehre, 10/17). Das „inflationäre Wortgeklingel altbekannter Managementmoden“ verdecke schlecht, daß eine auf „Funktionstüchtigkeit“ getrimmte Dozentenschaft weder Garant für erfolgreiche Umsetzung von „Lehrstrategien“ noch für wissenschaftliche Innovationen sei, die eher „Lässigkeit und Nachsicht“ benötigten. 


 www.forschung-und-lehre.de