© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/17 / 03. November 2017

Alles in einen Topf schmeißen
Wolf Wucherpfennigs seltsame Mißstandsanalyse
Werner Olles

Der Essay des Literaturwissenschaftlers Wolf Wucherpfennigs hinterläßt einen zweispältigen Eindruck. Auf messerscharfe Analysen (illegale Einwanderung, Islamisierung, Politische Korrektheit, Bargeldabschaffung etc.) folgen gewagte Konklusionen und umgekehrt. Es sind diese Ambivalenzen, die den schmalen Band, der mit dem Nietzsche-Zitat „Denn nur als ästhetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt“ einleitet, zu einer sehr speziellen Lektüre machen. 

Es geht Wucherpfennig um „die zunehmende Zerstörung der Natur und die wahrscheinlich endgültige der menschlichen Zivilisation“. Das „Malheur des Geschichtsoptimismus“ verkörpert für ihn die „Wahl eines dubiosen Reality-Schauspielers und Immobilienhändlers namens Donald Trump“. Seitdem sei es sogar wahrscheinlich, „daß sich der Untergang als Komödie vollzieht“. 

Die heillose Angst vor den „Triebkräften einer autoritären Staatsideologie“, die eine „Verleugnung der Wirklichkeit“ betrieben, die letztlich zum Hitlerschen „Streben nach Autarkie“ und zum „Raubkrieg“ führe, den die „geistigen Vorfahren“ des „Rechtspopulismus“ anzettelten, verführt in diesem Fall zur intellektuellen Bankrotterklärung. Diese wird auch dadurch nicht besser, wenn man „in einer Zeit aufklärungsfeindlicher Dummheit“ gerade diejenigen, die unter der babylonischen Fremdheit und transzendentalen Obdachlosigkeit einer außer Rand und Band geratenen multikulturalistischen Entgrenzung leiden, als „narzißtische Schauspieler“, zu deren „zynischem Spiel“ auch „Lügen und Selbstwidersprüche“ gehörten, diffamiert. 

Um dies zu beweisen rührt Wucherpfennig alles in einen Topf: Trump, Bannon und Putin, Wilders und den Brexit, die AfD und die Anti-Merkel-Demonstranten, alles eine „Mischung aus Prahlerei, Gewalt und Größenwahn, narzißtisch gestörtem Charakter, in dem das schwache Ich sich als riesiges Größenselbst selber bewundern kann“. Seine Zuckergußvariante einer esoterischen Öffnungsrhetorik, die völlig negiert, daß Aufklärung notwendig in Herrschaft verstrickt ist, und Gesellschaftskritik nie positiv werden darf, wenn sie sich selbst nicht aufgeben will, wirkt in dieser Mixtur letztlich nur noch komisch.

Wolf Wucherpfennig: Das Narrenschiff. Überlegungen zur Ästhetik im Angesicht zivilisatorischen Niedergangs. Basilisken-Presse, Marburg an der Lahn 2017, broschiert, 58 Seiten, 16,50 Euro