© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/17 / 03. November 2017

Mit dem Elektrobus vom Rhein nach Fidschi
In Bonn startet der 23. Weltklimagipfel / „Forum für die, die Hilfe benötigen und jene, die Lösungen haben“
Mathias Pellack

Die Bundesstadt Bonn wird in der Zeit vom 6. bis 17. November um die Einwohnerzahl einer Kleinstadt anwachsen, denn es ist Weltklimakonferenz. Klimadiplomaten aus 197 Ländern sowie Gäste von diversen Nichtregierungsorganisationen werden erwartet. Die Bonner Einwohner wurden wegen des großen Andrangs schon gebeten, den Anreisenden kostenlos Logis zu bieten. Das erinnert etwas an die Soldaten des Alten Fritz, auch sie wurden mangels Kasernen bei der Bevölkerung einquartiert.

Die Veranstalter der 23. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (COP23) erwarten bis zu 25.000 Teilnehmer. Der G20-Gipfel in Hamburg hatte etwa 6.500 geladene Gäste – und die Millionen-Metropole war ausgebucht. Gleichzeitig werden aber weniger Demonstranten erwartet. Ein Großteil der Diplomaten wird schon diese Woche zu Sondierungsgesprächen anreisen. Eine Herausforderung wird diese Großveranstaltung allemal. „Die Gäste kommen vorwiegend in Bonn, Köln und dem Rhein-Sieg-Kreis unter“, sagt Stephan Gabriel Haufe, Pressesprecher des für die Organisation mitverantwortlichen Bundesumweltministeriums (BMUB).

„Eine Konferenz – Zwei Zonen“

Der Gipfel wartet mit mehreren innovativen Konzepten auf. Die Präsidentschaft hat Josaia Bainimarama inne. Der 63jährige ehemalige Militärchef ist zugleich Premier der Republik Fidschi, die turnusgemäß – die UN hat alles kodifiziert – als asiatisches Land COP23-Ausrichter ist. Da das Südseeinselreich aber nicht die Kapazitäten hat, um eine solche Versammlung durchzuführen, fällt diese Ehre an Bonn. Die Hauptstadt der Fidschis, Suva, hat selbst nur 85.000 Einwohner. Hier in Bonn ist der Sitz des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, und für den jetzt eingetretenen Fall schreiben die Statuten des Sekretariats vor, die Veranstaltung am Sitz des Sekretariats durchzuführen. Deshalb Bonn; und deshalb ist Deutschland technischer Ausrichter.

Diese Verantwortungsaufteilung manifestiert sich auch in dem Konzept, das für die folgenden Konferenzen richtungsweisend sein soll: „Eine Konferenz – Zwei Zonen“. Zone eins ist die 20.000 Quadratmeter große „Bula-Zone“, wobei „Bula“ auf fidschi „Willkommen“ heißt, und der zweite Bereich ist die „Bonn-Zone“, welche mit 35.000 Quadratmetern noch größer ist. Beide liegen an den Rheinauen nahe dem UN-Campus. Sie werden mit Elektro-, Wasserstoff- und Hybridbussen verbunden. Die Bula-Zone wird vornehmlich der Konferenz selbst dienen und die offiziellen Veranstaltungen beherbergen.

In der Bonn-Zone hingegen werden auch nichtstaatliche Organisationen zu Wort kommen können. Hier sind Vorträge und informelle Treffen genauso möglich wie ein freundliches Zusammenkommen bei Cocktails an den Bars. Als besonderes Schmankerl bat die Präsidentschaft aus Fidschi auf der letzten vorbereitenden Konferenz am 18. Oktober um Bula-Dreß: geblümte Hawaihemden und die fidschitypischen Baumwollröcke. Eine derartige Kleiderordnung ist für diese mehrteilige Hauptkonferenz allerdings noch nicht bekannt.

Bei den vorhergehenden großen Gipfeltreffen (Paris 2015 und Marrakesch 2016) entstand ein nach der französischen Metropole benanntes Vertragswerk, das inzwischen von allen Staaten der Erde, außer Syrien, unterzeichnet wurde. Es soll diesmal ein darauf basierendes Regelwerk erarbeitet werden, das die „Wünsche“ des Pariser Abkommens in konkrete Maßnahmen und Forderungen an die einzelnen Staaten übersetzt. Haufe benennt die Priorität: „Die Delegierten der 23. Weltklimakonferenz werden vorwiegend das Klimaabkommen rechtlich und praktisch auslegen.“

Wichtig für das BMUB sind die Verpflichtung zur Reduktion des erwarteten globalen Temperaturanstiegs auf unter zwei Grad Celsius sowie „die Messung der Treibhausgasemissionen weltweit zu vereinheitlichen und ein gemeinsames Vorgehen zur Berichterstattung über die jeweiligen nationalen Treibhausgas­emissionen zu entwickeln“. Die COP sei auch ein Forum für den „weltweiten Wissenstransfer aus erfolgreichen Klimaprojekten“. So habe das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz bereits 66 „Nachahmer“ gefunden. Auch könnten sturmerprobte Städte wie Miami ihre Erfahrungen mit ähnlich bedrohten Gebieten in Entwicklungsländern innerhalb der Konferenz leicht teilen.

Wer übernimmt künftig die US-Milliardenzahlungen?

Während der knapp zwei Wochen der COP23 wird, wenn man es genau nimmt, nicht eine Konferenz stattfinden, sondern drei. Hier treffen gleichzeitig auch die Unterzeichner des Kyoto-Protokolls – kurz CMP13 – und die Konferenz der Mitglieder des genannten Pariser Übereinkommens – CMA1.2. aufeinander. Thematisch gibt es große Überschneidungen, aber die Teilnehmer sind je verschiedene. Die Klimarahmenkonvention, die 1992 in New York verabschiedet auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro unterzeichnet wurde, feiert damit dieses Jahr auch ein kleines Jubiläum. Seit 25 Jahren besteht sie bereits, wobei aber die ersten zwei Jahre keine regelmäßigen Konferenzen abgehalten wurden.

Bisher will erst ein Staat einen Austritt aus dem Abkommen vollziehen: Donald Trump reichte am 5. August die Austritterklärung bei der UN ein: Der Vertrag schade dem amerikanischen Volk, da Wirtschaftskraft verlorengehe und bis 2025 bis zu 2,7 Millionen US-Arbeitsplätze verschwinden könnten. Da die USA aber zu den 168 Nationen gehören, die den Vertrag bereits ratifiziert haben, wird „der Austrittsprozeß drei Jahre dauern“, bis dahin bleibt der Vertrag für die USA bindend. Es gibt zwar keine völkerrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten gegen Staaten, die sich nicht an die Vereinbarungen halten, doch wäre es schlecht für die Glaubwürdigkeit.

Erwartet werden dennoch ein US-Unterstaatssekretär sowie die demokratischen Gouverneure Jerry Brown (Kalifornien), Kate Brown (Oregon) und Jay Inslee (Washington). Für seinen Rückzug vom Klimaabkommen macht Trump die abfließenden Gelder verantwortlich – die USA waren bislang einer der Hauptzahler: 2014 lagen die Klimabeiträge laut BUMB bei 5,1 Milliarden Dollar. Damit sind die US-Subventionen nach Japan (und vor Deutschland) die zweithöchsten. Zudem steuern die USA jährlich vier Millionen Dollar zum Kernbudget des COP-Sekretariats in Bonn bei. Beim Weltklimarat sind die USA mit zwei Millionen Dollar Hauptfinanzier.

Der „Grüne Klimafonds“ (GCF) soll bis 2018 mit zunächst 10,3 Milliarden Dollar aufgefüllt werden. Ab 2020 sollen dann – zusammen mit weiteren öffentlichen und privaten Geldern – jährlich 100 Milliarden Dollar aus den Industrie- in die Entwicklungsländer umgeleitet werden – was die Zustimmung zum Abkommen in der Dritten Welt und die US-Ablehnung erklärt. Trump strebt allerdings einen neuen „Deal“ an und schließt daher nicht aus, einem in seinem Sinne verbessertem Klimaabkommen wieder beizutreten.

Das erinnert an die derzeitigen Nafta-Gespräche. Der 1992 von US-Präsident George Bush unterzeichnete und 1994 unter seinem Nachfolger Bill Clinton in Kraft getretene Freihandelsvertrag mit Kanada und Mexiko hat die Importpreise reduziert und die Firmengewinne erhöht, aber Millionen US-Industriearbeiter überflüssig gemacht. Ein „Nafta II“ wird Trump nur unterschreiben, wenn darin „America first“ festgeschrieben wird.