© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/17 / 17. November 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Nicht fürs Vaterland
Felix Krautkrämer

Der November ist seit jeher der wichtigste Monat für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Am Volkstrauertag gedenkt das Land seiner gefallenen Soldaten sowie aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Die zentrale Gedenkstunde findet dabei unter der Schirmherrschaft des Bundestagspräsidenten im Reichstag in Berlin statt. 

Unter den Abgeordneten hielt sich die Begeisterung zur Teilnahme in den vergangenen Jahren eher in Grenzen. Viele Politiker zogen es vor, wenn überhaupt, dann auf lokalen Veranstaltungen im Wahlkreis Präsenz zu zeigen. Doch in diesem Jahr trommelt das Protokoll des Volksbunds besonders eifrig zur Teilnahme im Reichstag. Denn aus den Reihen der AfD haben etwa 50 Abgeordnete ihr Kommen angekündigt. Nun herrscht bei einigen im Volksbund die Sorge, die neue Partei könnte als großer Block Einfluß auf die Veranstaltung nehmen. In einer Stellungnahme sprechen sich daher mehrere „ehrenamtliche Aktive“ gegen die Gedenkkultur der AfD aus. 

Zu den Unterzeichnern gehören die Landesvorsitzende von Hamburg, Karin Koop, der DGB-Funktionär Hartmut Tölle, der auch Beisitzer im Bundesvorstand des Volksbunds ist, sowie die Landessprecherin der Grünen Jugend Baden-Württemberg, Lena Christin Schwelling. Sie alle hätten den Einzug der AfD in den Bundestag mit Besorgnis beobachtet, schreiben sie. „Viele Positionen der AfD beunruhigen uns und stehen unserem Verständnis eines freiheitlichen, demokratischen und pluralistischen Miteinanders entgegen.“ Die Gedenkkultur der AfD sei mit den Werten, dem Leitbild und dem Wirken des Volksbundes unvereinbar. „Wir möchten ein Statement setzen, daß die erinnerungspolitischen Verirrungen der AfD im Volksbund und in der deutschen Erinnerungskultur keinen Nährboden finden.“ 

Gerade am Volkstrauertag dürfe das Erinnern nicht geprägt sein „von völkischen, nationalistischen, revisionistischen und antisemitischen Elementen“. Viele Wehrmachtssoldaten hätten sich im Zweiten Weltkrieg tatsächlich schwerer Kriegsverbrechen schuldig gemacht. „Wir lehnen es ab, dem Tod der Soldaten posthum Sinn zu verleihen, indem suggeriert wird, sie wären ‘für ihr Vaterland’ gestorben“, wie dies aus den Reihen der AfD propagiert werde.

In der Bundesgeschäftsstelle des Volksbunds teilt man die Bedenken. Es handle sich bei dem Aufruf zwar um eine private Initiative einzelner Mitglieder, doch inhaltlich stehe auch der Bundesverband hinter der Kritik, erläuterte Pressesprecherin Diane Tempel auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT. Weil die AfD aber eine gewählte Partei sei, habe man sich dafür entschieden, ihre Bundestagsabgeordneten einzuladen. Auch gebe es keinen Unvereinbarkeitsbeschluß zwischen AfD und Volksbund, wie das für die NPD festgelegt worden war. Dennoch trete der Volksbund allen Versuchen entschieden entgegen, die auf eine „Verdrehung und Verkürzung der Gedenkkultur“ abzielten. Entsprechend kritisch sehe man Äußerungen wie die von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, man müsse auch stolz sein können, auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.