© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/17 / 17. November 2017

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Dieser Tage flatterte mir ein Spendenbrief der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ins Haus, der sehr berührend formuliert war. Zudem lag ihm eine CD mit klassischer Musik bei, darunter Stücke unter anderem von Vivaldi, Bach, Händel, Mozart, Beethoven und Brahms. In einem Grußwort stellt sich der promovierte Mediziner, Moderator, Kabarettist und Autor Eckart von Hirschhausen als einer der Unterstützer der Stiftung vor. Er weist darauf hin, daß sich in historischen Bauwerken „das Gedächtnis und die Weisheit von Generationen“ finde. Deshalb engagiere er sich für den Erhalt „gebauter Geschichte“. Auf dem Rückumschlag der CD steht das Hirschhausen-Zitat: „Es ist an uns, diese Schätze auch für die nächsten Generationen zu erhalten.“ – Selten habe ich einen Spendenbrief so sympathisch gefunden wie diesen.


Kürzlich äußerte ein anderer JF-Kulturkolumnist mit Blick auf die Frage, seit wann Frauen klagend ausrufen: „Stundenlang steht man am Herd, und dann ist alles ruck, zuck aufgegessen“, den Verdacht, daß es sich um das Ergebnis einer seit den sechziger Jahren anhaltenden subtilen Gehirnwäsche handele (JF 43/17). Ein musikkundiger Autor macht mich nun auf den Liedertexter, Sänger und Humoristen Otto Reutter (1870–1931) aufmerksam. Bekannt wurde er vor allem als Verfasser von Couplets, also mehrstrophigen, häufig politischen, scherzhaft-satirischen Liedern mit Kehrreim. Mehrere hundert davon sind in diversen Schallplatten-Aufnahmen und Notendrucken erhalten. Die zweite Strophe von Reutters Couplet „Die ganze Geschicht’, die lohnt sich nicht“ beginnt nun so: „’ne Frau, noch von früherem Schlage,/ So ’n richtiges Heimchen am Herd, Die sagt mir: ‘Es ist eine Plage,/ Das Kochen hat gar keinen Wert.’// Die ganze Geschicht, – die lohnt sich nicht –/ Schon morgens geht’s los – man kauft alles ein –/ So billig, wie’s geht – und gut muß es sein –/ Und dann geht’s in die Küche – fünf Stunden am Fleck –/ (…) und für wen das alles? – Für einen bloß –/ kommt um eins – und frißt drauflos –/ Bedankt sich gar nicht – das muß so sein –/ Wie schön das gemacht ist – sieht er nicht ein –/ Diese ganze Plage – wovon man nichts hat –/ Denn die Frau, die wird schon vom Kochen satt –/ wem nutzt alles dann?// Doch bloß dem Mann!/ Die fünf Stunden Arbeit, den schönen Schmaus,/ Den frißt er in fünf Minuten aus –/ Dann steht er auf, und dann muß er raus –/ Aus!“ Eine Aufnahme davon mit Otto Reutter aus dem Berliner Schumannsaal stammt aus dem Mai 1930. Die in den Sechzigern einsetzende Gehirnwäsche war da noch ein gutes Stück entfernt.