© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/17 / 17. November 2017

Der Flaneur
Polnische Pointe
Paul Leonhard

Was tut man, wenn man aus dem hohen Gras einer Waldlichtung etwas Spitzes ragen sieht? Natürlich neugierig etwas näher herangehen. Und wenn sich dieses Spitze dann als Geweih eines Tieres herausstellt? Ja, vorsichtig noch ein Stückchen näher heranschleichen. Wenn dann aber plötzlich ein ausgewachsener Elch vor einem steht und den Kopf senkt, dann heißt es die Beine in die Hand nehmen. Elche können unheimlich schnell sein.

Faszinierend, wie die Reisegruppe spielend von einer Sprache in die andere wechselt.

Der Wortführer der Reisegesellschaft, die um mich herum hervorragend gelaunt sitzt, ist ein begnadeter Erzähler. Mit Händen, Füßen und Grimassen erzählt er seine Geschichte. Aber jetzt macht er erst mal eine Pause und läßt ein Handyvideo herumgehen, auf dem man einen Elch durch gut einen Meter hohen Schnee rasen sieht.

Als alle genug gestaunt haben, setzt er erneut an, von seinem Abenteuer auf der Lichtung zu erzählen. Alle hängen gespannt an seinen Lippen. Nur ich verstehe plötzlich nur noch Bahnhof. Denn in dem Augenblick, wo sich der Erzähler dem Höhepunkt der Geschichte nähert, wechselt er vor Erregung die Sprache, wirft plötzlich fremdartige Zischlaute ins Zugabteil.

Die erlösende Pointe gibt es nur auf polnisch. Alle johlen. Ich blicke ratlos in die Runde. So allein gelassen kam ich mir lange nicht mehr vor. Eine junge Frau fängt den Blick auf und setzt sich neben mich. Im akzentfreien Deutsch erzählt sie mir den Ausgang der Geschichte. Aus ihrem Mund ist dieser zwar nicht mehr ganz so lustig, dafür ist aber anderes faszinierend: wie diese Reisegruppe immer wieder spielend leicht von einer Sprache in die andere wechselt. Das möchte ich auch können. Jetzt wird politisiert. Die Diskutierenden seien bei einer deutschen Stiftung im Nachbarland tätig sowie polnische Bürgermeister und Unternehmer, erfahre ich von meiner Dolmetscherin. Schade, daß mein Ziel nicht Warschau ist. Aber falls ich mal hinkommen sollte, habe ich jetzt eine Adresse.