© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/17 / 24. November 2017

Pankraz,
D. Trump und die Kraft der Soft Power

Amerika zieht sich zurück“, „Xi Jinping statt Donald Trump“, „Die USA verlassen den asiatisch-pazifischen Raum“ – so oder ähnlich betitelten viele Zeitungen letzte Woche das diesjährige Treffen der Asiatisch-PazifischenWirtschaftsgemeinschaft (APEC) in Vietnam. Ein Ton von Besorgnis, ja Aufregung und Kritik war unüberhörbar. Es klang hier und da, als würden nun überall rund um den Pazifik „die westlichen Werte“ untergehen und die „autoritären“ Chinesen die Macht übernehmen. Finis Amerika.

Dabei hatte der US-Präsident auf dem Treffen lediglich angekündigt, sein Land werde den auch von der APEC favorisierten Kurs eines völlig „freien“, total globalisierten Welthandels nicht länger mittragen und künftig nur noch „faire“, beide Seiten gleichmäßig begünstigende bilaterale Handelsverträge abschließen. Bedeutet das wirklich, wie die Zeitungen nahelegen, eine Todsünde wider den heiligen Zeitgeist? Hat die Fairneß wirklich nichts im internationalen Handel zu suchen, geht es dort wirklich nur noch darum, sich gegenseitig über den Löffel zu balbieren und einzig auf den eigenen Vorteil zu schauen?

An sich war auch die APEC am Anfang ein Instrument gewesen, mit dem man allzu große Unfairneß im Handel unterbinden wollte. Sie wurde 1989 von Australien, Japan und den USA gegründet, um eine gemeinsame Widerstandslinie gegen die riesigen chinesischen Exporte von billigstem Massenschund aufzurichten. Inzwischen sind die chinesischen oder singhalesischen Massenexporte nach Japan oder in den Westen längst kein Schund mehr, liefern etwa zu günstigen Preisen wichtige Grundbestandteile für elektronische Anlagen – und seitdem setzt sich die APEC also für „unbegrenzt freien“ Welthandel“ ein.


Einher geht dieser Prozeß mit einer ebenso klugen wie strikt national-egozentrischen Pekinger Außenpolitik, beispielsweise in Afrika, so daß einige Politbeobachter bereits vom „chinesischen Zeitalter“ sprechen, welches das „amerikanische Zeitalter“ abgelöst habe. Pankraz findet das übertrieben. Wer am meisten verkauft und parallel dazu die meisten Flugzeugträger auf den Weltmeeren schippern läßt, ist deshalb noch lange nicht Gestalter eines Weltzeitalters. Ein solches besteht ja aus lebenden Menschen, und nur wer deren innere Kunst- und Gedankenwelt umfassend prägt, gestaltet letztlich die Welt.

Mit anderen Worten: Die Gestalt der Menschenwelt ist nicht primar abhängig von Wirtschaftsmacht und eindrucksvoll vorzeigbarer Militärmacht, sondern sie erwächst aus „weicher Macht“,  aus „soft power“, wie es der amerikanische Anthropologe Joseph Nye in seinem berühmten gleichnamigen Buch aus dem Jahre 2004 genannt hat. Die mächtigste Macht der Welt, schrieb Nye schon damals, sei die „soft power“, und zwar bei allen Völkern und allen nur denkbaren Sozialformationen.

Noch der kleinste, geduckteste Bewohner etwa eines heruntergekommenen afrikanischen Slums dient in erster Linie der „soft power“. Natürlich, er zählt die paar Cent, die er in der Tasche hat, und kauft damit irgendwelchen Überlebensschrott. Und natürlich kuscht er vor dem herrschenden Boß in seiner Straße und hat Angst vor Gewaltausbrüchen und auch vor der Polizei (die ihrerseits Angst hat vor ihm). Aber die erste,  die primäre Macht, der er folgt, ja der er sich regelrecht hingibt, ist die „soft power“, die „Macht aus der Gitarre“, wie Nye an einer Stelle seines Buches auch schreibt.

Joseph Nye hat nichts gegen einen amerikanischen „Imperialismus“, also gegen eine deutliche US-Dominanz in aller Welt. Aber er ist auch Realist genug, um das gegenwärtige Scheitern eines amerikanischen Imperialismus auf breitester Front wahrzunehmen. Die Zeiten einer allgemein hingenommenen Vorherrschaft der USA als der „einzig noch verbliebenen  Supermacht“ seien endgültig vorbei, schreibt er, „die ökonomischen und militär-strategischen Daten sprechen eine eindeutige Sprache“.


Jedoch, so tröstet er sich, „wir haben ja noch die soft power, und die werden wir auch behalten. Amerikanisches Englisch ist Weltsprache, lingua franca, die überall in der Welt als solche anerkannt wird. Unsere Eliteuniversitäten von der Efeu-Liga sind und bleiben das Sehnsuchtsziel aller guten Wissenschaftler. Unsere Popkultur inklusive der populären Internetportale fasziniert und beschäftigt die Jungen in aller Welt, wo immer sie auch leben. Sie ist Kernstück und Motor der globalisierten Massenkultur und walzt alles nieder, was sich ihr in den Weg stellen will.“

Wer’s glaubt, wird möglicherweise selig. Aber im Hinblick auf „soft power“ melden sich immer häufiger kräftige Gegenströmungen gegen das bisherige Dominanzgehabe. In Europa feiert zum Beispiel der Schlager im alten europäischen Johannes-Heesters-Stil fröhliche Wiedergeburt, während die US-geprägte Popkultur nur noch Nachrufe auf verstorbene Alt-Stars liefert. Und was die Elite-Universitäten der Efeu-Liga betrifft, so hat deren Attraktion nachgelassen, seitdem es von dort nur noch Debatten über weißen Rassismus und schwerste Störungen von Vorlesungen zu berichten gibt.

Für europäische Häme gibt es freilich nicht den geringsten Anlaß. Was kulturell ausstrahlt und mächtig wird, entscheiden nicht die Politiker und schon gar nicht die politologischen Besserwisser. Politische Hegemonie und kultureller Einfluß gehen nicht Hand in Hand, meistens widersprechen sie sich sogar. Rom siegte einst total über Griechenland, politisch war dieses erledigt. Aber sein kultureller Einfluß entfaltete sich  erst jetzt richtig, im Zeichen der politischen Niederlage.

Heute sind politische Gutmenschen in Berlin und Brüssel eifrig damit beschäftigt, den kulturellen Karat der ganzen übrigen Welt exklusiv an ihren, der Gutmenschen, eigenen „Werten“ zu messen und die wüstesten Verurteilungen über diejenigen auszusprechen, denen ihre eigene kulturelle Tradition die mächtigste „soft power“ ist. Die Gutmenschen müssen noch viel lernen.