© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/17 / 24. November 2017

Hilferuf an die Leser
Der unabhängigen, aber defizitären „Tagespost“ droht das Aus / Traurige Bilanz der katholischen Publizistik
Jürgen Liminski

Die schlechte Presse.“ So lautet der Titel der Habilitationsschrift des langjährigen Kommunikationswissenschaftlers Michael Schmolke. Sie beschreibt das (Miß-)

Verhältnis der katholischen Kirche zur Publizistik in den Jahren 1821 bis 1969, oder zwischen der Gründung der Zeitung Katholik und der Schließung der Wochenzeitung Publik. Man könnte die Linie geradeaus weiterziehen, denn in den letzten fast fünf Jahrzehnten hat sich an diesem Verhältnis kaum etwas geändert. Weder das von den Bischöfen 1969 gegründete und seither finanzierte „Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses“ noch die millionenschweren, jährlichen Investitionen in die Wochenzeitung Rheinischer Merkur, noch die Millionen, die in die Bistumszeitungen fließen, obwohl diese an Auflage rapide verlieren, haben eine Wende gebracht. Auf der Internetseite der Deutschen Bischofskonferenz ist die traurige Bilanz nur notdürftig kaschiert, man redet von „insgesamt“ 124 verschiedenen Titeln für Mission, Frauen, Jugend, Kultur und natürlich das Bistum.

Die Bistümer könnten das Blatt leicht retten

Für die wöchentlich erscheinenden 27 Bistumszeitungen wird eine Auflage von 780.000 Exemplaren angegeben, tatsächlich dürften es nicht mehr als 600.000 sein. Als Begründung für die sinkende Auflage nennt man den „Rückgang der Gottesdienstbesucher“. Das ist nur die halbe Wahrheit. Hinter dem Mißverhältnis steckt ein anhaltend großes Mißverständnis. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen kirchlicher und weltlicher Presse. Die einen sollen verkünden, die anderen vermitteln. Die Publizistik zählt die Kirchenzeitungen zur Gesinnungspresse. Ihre Ansprüche und Botschaften stehen auf dem Boden einer bestimmten Weltanschauung, die nicht neutral zu sein hat. Viele Prälaten und Kirchenfunktionäre wollen nicht anecken und lieber im vermeintlichen Mainstream mitschwimmen und zeigen, wie liberal sie sind, als für ein Bekenntnis geradestehen. 

Das dürfte auch der tiefere Grund für die aktuelle Krise bei dem Blatt Die Tagespost („Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur“) sein. Es  erscheint dreimal in der Woche und soll ab Januar nur noch einmal in der Woche, aber dafür mit mehr Seiten und mehr Analysen und Hintergründen zu ihren Abonnenten kommen – wenn der Atem bis Januar reicht. Denn die Auflagenzahlen dieser letzten überregionalen Zeitungsstimme aus dem katholischen Deutschland sinken dramatisch. Jetzt hat sich Chefredakteur Oliver Maksan, früher Korrespondent der Zeitung in Jerusalem, in einem Brandbrief an die Abonnenten gewandt und um Hilfe gebeten. Sollten bis zum 31. Dezember nicht knapp 300.000 Euro an Spenden eingegangen sein, wird die Zeitung im nächsten Jahr nicht mehr erscheinen. 

Eigentlich sollte, könnte man meinen, es den katholischen Bischöfen ein Anliegen sein, ein dezidiert katholisches Blatt zu unterstützen, und angesichts der guten Finanzlage wären 300.000 Euro für die 27 Bistümer kaum mehr als ein Griff in die Portokasse. Aber das ist offensichtlich eine Frage des Bekenntnisses. Denn die Tagespost vertritt durchaus auch Positionen, die mit dem Mainstream nicht übereinstimmen – zum Beispiel bei Themen wie Ehe für alle, aktive Sterbehilfe, Leihmutterschaft, Genderismus, Islam – und das Schwimmen gegen den Strom in Politik und Medien ist, wie gesagt, die Sache einer beachtlichen Anzahl der Bischöfe nicht. Manche würden das Verschwinden der Tagespost wohl klammheimlich begrüßen, andere allerdings aufrichtig bedauern, denn sie gilt im katholischen Raum immer noch als Referenzblatt, das durchaus auch zu kontroversen Debatten einlädt.

Viele Funktionäre schwimmen mit dem Strom

Maksan beziffert in seinem Brief den Investitionsbedarf für die nächsten fünf Jahre auf knapp zwei Millionen Euro. Dann stünde das Blatt als Wochenzeitung mit einem Online-Auftritt für die Aktualität rentabel auf eigenen Beinen. Die Zahl der Abonnenten beträgt derzeit rund 8.500, und die Gewinnschwelle wäre bei 13.500 Abonnenten erreicht. Eine Marktstudie hat, so Maksan, errechnet, daß das Potential einer konfessionell so stark an Rom orientierten Zeitung bei 50.000 Abonnenten läge. Aber entscheidend für den politischen Diskurs sind nicht die Höhe der Auflage, sondern die Stärke der Argumente und die Unabhängigkeit der Redaktion. Seit Juni gehört die Tagespost nicht mehr einem kircheneigenen Verlag, sondern der nach ihrem Gründer benannten privaten Johann-Wilhelm-Naumann-Stiftung, und ist seither unabhängig. Die Stiftung hat aber kaum finanzielle Mittel. Das Kapital der Zeitung sind die Leser und Abonnenten. Ob sie das Medium retten werden, ist offen.

In anderen Fällen tun sie es. Denn es gibt auch katholische Publikationen, die das Bekenntnis nicht scheuen. Dazu gehören die Monatszeitschriften Vatikan-Magazin, Der FELS oder das Pur-Magazin. Ihre Auflagen liegen zwischen 3.000 und 6.000 Exemplaren. Das ist eher bescheiden, ihr Publikum aber ist treu. Sie leben von Spenden. Gemessen an den mit Kirchengeldern gemästeten Institutionen und Publikationen sind sie vital und erfüllen eine Funktion, die man gern unterschätzt: Sie bestätigen Überzeugungen und liefern dafür Argumente.