© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/17 / 24. November 2017

Camping 2.0
Die „Van Life“-Bewegung feiert das mobile Leben auf vier Rädern
Heiko Urbanzyk

Home is where you park it“ ist ein Motto der neuen „Van Life“-Bewegung. Auf englisch klingt das für viele cooler, als sich „Womo-Fahrer“ zu nennen, Mitte 60 zu sein und 100.000 Euro für sein mobiles Freizeitheim auf den Tisch zu legen. 

Das „Leben im Kleinbus“ bricht den Wohnmobil-Kult herunter auf die Bedürfnisse junger Leute, die gerade nicht das Ende ihrer Tage sehen und diese auf dem Campingplatz verbringen möchten. Zumal das Geld für die mobile Unterkunft nicht selten fehlt und oft nur eine Auszeit aus dem Alltag geplant ist. Für all die Freiheitssuchenden – der kurzzeitige Ausstieg ist ja mittlerweile nach dem Abi oder dem Studium schon absoluter Standard – hat sich eine regelrechte Wirtschaftsbranche aus „Camper-Sharing“, Internetangeboten und dem Innenausbau von alten Bussen entwickelt.

Neue Wirtschaftsmodelle entwickeln sich 

„Du träumst von Freiheit, Abenteuer und selbstbestimmtem Urlaub mit einem Bulli, Wohnmobil oder Wohnwagen, hast aber leider keinen eigenen Camper?“ wirbt das deutsche Camper-Sharing-Portal paulcamper.de. Der sich selbst als „leidenschaftlichen Gründer und Camper“ beschreibende Dirk Fehse verspricht dazu noch Vollkasko- und Pannenschutz sowie die komplette Ausstattung – damit der Freiheitsdrang bloß nicht im Fiasko endet. Ein bißchen Luxus und Sicherheit darf schon mit im Spiel sein. Das Prinzip ist simpel: Der eine hat ein Fahrzeug, nutzt es aber nicht ständig und möchte in den Standzeiten etwas Geld verdienen. Der andere hat kein Fahrzeug und würde die vergeudete Standzeit des Eigentümers durch eigene Nutzung füllen. Dahinter steht neben dem finanziellen Vorteil auch die zunehmend mehr Anhänger findende Philosophie des Minimalismus: Besitz nicht um des Besitzes willen, sondern um der Nutzung. Was gerade nicht benötigt wird, wird verliehen. 

1.300 Wohnmobile und VW-Bullis, die durch den neuen Trend ihre Wiederentdeckung feiern, werden bei paulcamper.de angeboten. Persönliches Kennenlernen, beispielsweise bei der Womo-Besichtigung gehören zum Konzept.

Zum „Van-Life-Style“ und den darum entstehenden weltweiten Geschäftsmodellen gehören auch die Literatur und die sozialen Medien. Camper Foster Huntington (van-life.net) hat seine Reisen und die seiner Facebook-Follower im Bildband „On the Road“ dokumentiert. 

Instagram-Profile wie „project.vanlife“ haben über eine halbe Million Abonnenten und versorgen die Gemeinschaft täglich mit reichlich romantisierten Fotos von kreativen Umbaumaßnahmen, abgelegenen Orten und den besten Ausblicken aus der Heckklappe. Der sich treiben lassende und allen materiellen Übertreibungen entsagende Naturfreund ist so – nicht ganz unironischerweise – auf dem Weg zum Influencer. Darunter auch mehrere Deutsche.

Felix Stark ist mit seiner Partnerin in einem eigenhändig umgebauten alten Schulbus von Alaska nach Argentinien gefahren. Neben kurzen Videos, die er begleitend zur Vorbereitung und Fahrt auf Youtube veröffentlicht hat, brachte er 2017 die Reise-Dokumentation „Expedition Happiness“ heraus. 

Paul Nitschke aus Berlin teilt seinen Ausstieg im eigenen Van-Life-Blog passport-diary.com: „Ich hatte einen interessanten und hippen Marketing-Job in einem Fashion-Unternehmen und die Sicherheit eines monatlichen Einkommens. Ein schönes Auto und jede Menge Spielzeug, mit dem ich mich umgeben habe. Ich dachte, das macht mich glücklich, und ich brauche diese Dinge. Ich habe das alles hinter mir gelassen, meinen Job gekündigt, mein Auto verkauft, um mich auf die Reise meines Lebens zu begeben, einmal kreuz und quer durch die Welt.“ 

Neben Reisegeschichten gibt Nitschke Ratschläge für den günstigen Ausbau des eigenen Gefährts. Der richtige Kabeldurchschnitt? Paul hat den Online-Konfigurator für den Womo-Ausbau. Wer es richtig machen möchte, kann für 12 Euro sein E-Book „Der 1.000 Euro Camper“ kaufen. Oder tauscht sich auf vanlifegermany.com über die besten Werkzeuge und Handgriffe aus. 

So weit entfernt vom guten alten Campingplatz mit niederländischen und deutschen Wohnwagen und abendlicher Grillstimmung ist die Van-Life-Bewegung nicht. Es sind bloß die Jungen und Mittleren, die sich auf ihre eigene Art dieses Lebensgefühl und andere Orte neu erobern.