© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/17 / 01. Dezember 2017

Fatale Folgen des Nachzugs
Dänemark: Großzügige Familienzusammenführung als Beitrag zur Integration? Mitnichten, erklärt eine Studie des dänischen Finanzministeriums
Christoph Arndt

Am 8. Juni 1983 beschloß die konservativ-liberale Minderheitsregierung Poul Schlüters unter dem Druck des sozialliberalen Tolerierungspartners Radikale Venstre das zu diesem Zeitpunkt liberalste Ausländergesetz (Udlændingeloven) der westlichen Welt. Das Gesetz führte den Begriff des De-facto-Flüchtlings ein. Dieser sicherte einen umfassenden Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung für Asylbewerber zu. 

Gerade letzteres führte schnell zu einer rapide ansteigenden Anzahl von nichtwestlichen Einwanderern. Abgesehen vom Widerstand seitens der marginalisierten rechten Fortschrittspartei und einigen sozialdemokratischen Bürgermeistern aus Kopenhagener Vorstädten waren die sich abzeichnende Wohnsegregation und Bildung von Parallelgesellschaften bis Mitte der 1990er Jahre Tabuthemen. 

Größter Teil der Nachzügler lebt von Sozialhilfe 

Die sozialdemokratisch-sozialliberale Regierung Nyrup Rasmussens führte die liberale Zuwanderungspolitik dann auch in den 1990ern weiter, so daß Familienzusammenführung und Asyl 50 Prozent der Zuwanderung nach Dänemark um die Jahrtausendwende ausmachten.

Der anschließenden Mitte-Rechts Koalition unter Anders Fogh Rasmussen aus der liberalen Venstre und Konservativen, die von der im Oktober 1995 gegründeten Dänischen Volkspartei (Dansk Folkeparti; DF) toleriert wurde, gelang es nach 2001, den Zustrom aus nichtwestlichen Ländern unter Kontrolle zu bringen. Die verschärften Regeln für den Nachzug beinhalteten die 24-Jahre Regel, die Familienzusammenführung mit ausländischen Ehepartnern nur dann gestattete, wenn beide älter als 24 sind, sowie Garantiesummen und eine dokumentierte Selbstversorgung der nachgeholten Angehörigen seitens des Antragstellers. Somit fiel der Anteil der Familienzusammenführung an der Gesamtzuwanderung bis 2015 in der Folge deutlich. Die Konsequenzen der großzügigen Familienzusammenführung nach 1983 sind jedoch eine bis dato nicht gelöste politische Herausforderung. Dies läßt sich an den Politikfeldern Finanzen, Arbeitsmarkt, Kriminalität und Bildung festmachen.

Eine aktuelle Analyse des dänischen Finanzministeriums (Indvandreres nettobidrag til de offentlige finanser) beziffert die jährlichen Kosten der nichtwestlichen Zuwanderung auf 4,43 Milliarden Euro, wobei die Studie zusätzlich die Kosten der Einwanderung nach Aufenthaltsstatus seit 1997 aufschlüsselt. Fazit der Analyse in dieser Hinsicht ist, daß „Einwanderer, die als Asylbewerber oder Familienangehörige von Asylbewerbern gekommen sind, im Durchschnitt einen beträchtlichen negativen Beitrag für die öffentlichen Finanzen ausmachen.“ Rechne man den finanziellen Beitrag der Familienzusammengeführten für sich, so ist dieser ebenfalls negativ.

Der negative finanzielle Effekt der Familienzusammenführung hängt mit der deutlich niedrigeren Beschäftigungsquote von Asylbewerbern und Angehörigen zusammen, welche im Zeitverlauf unter 50 Prozent verbleibt und selbst unter der Beschäftigungsquote der übrigen nichtwestlichen Zuwanderer liegt; Syrer haben hierbei mit 14 Prozent die niedrigste Beschäftigungsquote aller erfaßten Zuwanderer. 

Nach Zahlen des Arbeitsministeriums sind darüber hinaus mehr als 80 Prozent aller Ehepaare/Partnerschaften, die von der dänischen Sozialhilfe leben, nichtwestliche Zuwanderer oder deren Nachkommen. Der  Sozialstaat finanziert somit eine Unterschicht, die zuvörderst erst durch das Einwanderungsgesetz von 1983 entstanden ist.

Eine Erklärung für die nicht integrativen Effekte der Familienzusammenführung liegt darin, daß die Kombination von Transfer- und Familienleistungen bei Großfamilien häufig ausreicht, einen in Dänemark passablen und dem Herkunftsland gegenüber deutlich höheren Lebensstandard ohne jegliche Erwerbsarbeit zu finanzieren. 

Regierung kämpft gegen Parallelgesellschaften  

Naser Khader, ein ehemaliger Übersetzer und syrischstämmiger Abgeordneter der Konservativen Volkspartei, konstatiert hierzu: „Der größte Traum im Ghetto ist die Førtidspension“ (Erwerbsunfähigkeitsrente, die nicht an vormalige Einzahlungen gebunden ist). Khaders Erfahrungen nach werden nachgeholte Ehefrauen auch häufig von anderen Flüchtlingen und Asylbewerbern zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen anstelle von Erwerbsarbeit gedrängt (Jyllands-Posten  6. Januar 2017).

Ein weiteres Problemfeld, das durch die Familienzusammenführung vielfach erst entstanden ist, manifestiert sich in der Bandenkriminalität in den derzeit 25 sogenannten Ghetto-Umgebungen (Getto-områder), wie etwa Gellerupparken in Aarhus, Mjølnerparken in Kopenhagen oder Vollsmose in Odense. In diesen Stadtteilen stellen nichtwestliche Zuwanderer die Mehrheit, und es haben sich durch den schnellen Nachzug von Familienangehörigen und der damit verbundenen Zuteilung von Sozialwohnungen für Großfamilien und Verwandte Parallelgesellschaften mit eigenen Regeln gebildet. Es wird aufgrund fehlender Notwendigkeit oftmals kaum Dänisch gesprochen, und es gibt verfestigte Strukturen mit Verachtung für das dänische Rechtssystem. 

Offizielle Daten zeigen, daß Nachkommen von nichtwestlichen Zuwanderern die höchste Kriminalitätsrate aufweisen. Danmark Statistik weist dies als Kriminalitätsindex aus, wobei ein Wert von 100 der Kriminalitätsrate von allen Männern in Dänemark entspricht. Nachkommen von nichtwestlichen Zuwanderern haben hingegen einen Indexwert von 237, welcher eine um 137 Prozent höhere Kriminalitätsrate verglichen mit der männlichen Gesamtbevölkerung anzeigt. 

Nachkommen von Asylbewerbern und nichtwestlichen Zuwanderern sind zudem krimineller als ihre Elterngeneration, was dafür spricht, daß die großzügigen Regeln eher zur Bildung einer Diaspora als zur Integration beigetragen haben. 

Ein Teil dieser Kriminalität konzentriert sich auf wenige Ghettoumgebungen, so wird etwa die Hälfte der Jugendkriminalität von lediglich einem Prozent der Jugendlichen begangen. Eine Analyse des Justizministeriums für die Alterskohorte 1996 kommt zu dem Schluß, daß das kriminellste Prozent zu einem Drittel aus Nachkommen von nichtwestlichen Zuwanderern bzw. Zuwanderern selbst besteht, obgleich der Anteil von nichtwestlichen Zuwanderern und deren Nachkommen 1996 nur 3,7 Prozent ausmachte. Heißt: eine fast zehnfache Überrepräsentation bei schwerkriminellen Jugendlichen.

Als Reaktion auf die eskalierende Bandenkriminalität erklärte Ministerpräsident Løkke Rasmussen (Venstre) den Einsatz gegen Parallelgesellschaften zur Priorität für seine Regierung in den kommenden Jahren. Rasmussen bezeichnete den Familiennachzug als „Teil der Nahrungskette für die Ghettobildung“. Eine von mehreren Parteien vorgebrachte Lösung ist ein Verbot des Familiennachzugs für Asylbewerber, die in Ghetto-Umgebungen wohnen – somit die direkte Umkehr des Gesetzes von 1983.