© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/17 / 01. Dezember 2017

Entstaatlichte Elektromünze
Bürgergeld: Wie Kryptowährungen das überholte Staatsmodell revolutionieren
Aaron Koenig

Noch vor kurzem wurden Bitcoin und andere staatenlose digitale Währungen nicht besonders ernst genommen. Doch der deutliche Hinweis, daß sich das geändert hat, sind die stark gestiegenen Marktpreise. War ein Bitcoin im Januar 2017 noch für unter 1.000 Euro zu haben, muß man mittlerweile 8.373 Euro dafür ausgeben. Andere digitale Währungen haben sogar noch stärkere Wachstumsraten zu verzeichnen: Dash ist zum Beispiel im gleichen Zeitraum von rund zehn Euro auf fast 500 Euro gestiegen, hat also seinen Preis verfünfzigfacht.

Waren Kryptowährungen bisher eher ein Thema für libertäre Computerfreaks, so interessieren sich mittlerweile auch institutionelle Anleger und die sogenannten „Family Offices“, also Vermögensverwalter der Superreichen, für dieses neuartige Geld, das ohne jede zentrale Autorität auskommt. Banken, Kreditkartenfirmen oder sonstige Mittelsmänner werden nicht mehr benötigt. Alles, was man braucht, ist ein Internetzugang und eine kostenlose, frei verfügbare Software für Computer oder Handy.

Das ist besonders interessant für die vielen Milliarden Menschen in Entwicklungsländern, die kein Bankkonto besitzen und daher bisher von der Weltwirtschaft ausgeschlossen waren. Doch Smartphones mit Internetzugang sind mittlerweile auch in afrikanischen oder indischen Dörfern verbreitet. Wer programmieren, gestalten, lehren oder sonst eine Dienstleistung erbringen kann, die sich über das Internet weltweit anbieten läßt, ist jetzt in der Lage, sich mit digitalem Bargeld bezahlen zu lassen. Das wird die Lebensumstände vieler Menschen in der dritten Welt drastisch verändern.

Doch auch für Deutsche sind digitale Währungen interessant, denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Fehlkonstruktion Euro in sich zusammenbrechen wird. Wer dann darauf hoffen muß, daß „Vater Staat“ und „Mutti Merkel“ schon für seine Ersparnisse bürgen werden, ist arm dran. Bevor die Deutschen wie im Juni 2015 die Griechen und Zyprioten vor geschlossenen Banken stehen und nur kleckerweise an ihr eigenes Geld herankommen, sollte man in Bitcoin, Litecoin, Monero, Dash oder eine der vielen anderen digitalen Währungen investieren. Sie sind wirkungsvolle Werkzeuge der Selbstverteidigung gegen staatliche Willkür und Mißwirtschaft.

Regierungen in aller Welt stehen vor einem Dilemma

Die Regierungen in aller Welt stehen vor einem Dilemma. Es ist absehbar, daß sie die absolute Kontrolle über das Geldsystem verlieren werden. Dieses Machtinstrument haben sie bisher stets zum eigenen Nutzen und zum Schaden der Bürger mißbraucht. Einige Staaten haben daher versucht, Kryptowährungen zu verbieten, doch nur mit mäßigem Erfolg. Bitcoin und seine Nachfolger sind nämlich komplett dezentralisiert und daher fast unmöglich zu attackieren. Es gibt keine zentralen Server, die man stillegen könnte, keine Vorstände einer „Bitcoin AG“, die man verhaften könnte. Kryptowährungen sind einfach offene Software-Protokolle, die jeder nutzen und weiterentwickeln kann. Sie sind absichtlich so aufgebaut, daß sie nicht verboten und nicht kontrolliert werden können.

Doch das innovative Potential, das in Kryptowährungen und der ihnen zugrundeliegenden Blockchain-Technologie (siehe Kasten) steckt, ist so groß, daß kein halbwegs vernünftiger Politiker es ignorieren kann. Wer eine Anti-Bitcoin-Politik fährt, riskiert damit nur, Unternehmensgründungen in anderen Ländern zu fördern und die Entwicklungschancen des eigenen Arbeitsmarktes zu verspielen. Staaten mit einer positiven Einstellung zu Bitcoin wie die Schweiz, Singapur oder Gibraltar ziehen hingegen Firmengründer aus aller Welt an.

EU-Mitglied Estland etwa berät, eine eigene auf Bitcoin-Technologie basierende Währung herauszugeben. China hat jüngst sogar mit der Entwicklung begonnen. Dies läuft der Kernidee von Bitcoin, ohne zentrale Autorität und ohne staatliche Kontrolle auszukommen, zuwider. Eine staatliche Kryptowährung wäre also ungefähr so absurd wie ein Automobil, das von Pferden gezogen werden muß. Zugleich hat die Volksrepublik Anfang November alle inländischen Bitcoin-Handelsplätze geschlossen.

Doch das tut dem innerchinesischen Handel keinen Abbruch, da Kauf und Verkauf genauso gut über Server im Ausland abgewickelt werden können. Diese Beispiele zeigen, daß viele Politiker aufgewacht sind und die Bedrohung ihrer hoheitlichen Macht durch Kryptowährungen allmählich begreifen. Das wird ihnen jedoch wahrscheinlich nicht viel nützen, denn das Modell Staat, in dem eine kleine Gruppe von Menschen das Recht hat, über das Geld der anderen zu verfügen, wird der Logik des Digitalzeitalters nicht widerstehen können. Mit Kryptowährungen kann sich jeder Bürger gegen den staatlichen Zugriff auf sein Eigentum zur Wehr setzen. Bitcoin-Konten lassen sich nicht einfrieren oder beschlagnahmen.

Der Vorteil für den Bürger ist die Unabhängigkeit

Der Vorteil für den Bürger liegt darin, daß nicht mehr Politiker Zugriff auf ihr Eigentum haben. Finanzpolitische Fehlallokationen werden minimiert und der verantwortungslose Umgang mit Geld verhindert. Das liegt in der Natur der Sache, denn mit dem Geld anderer geht man nun einmal lockerer um als mit dem eigenen, erst recht, wenn man für den angerichteten Schaden nicht haften muß.

Die Blockchain-Technologie kann viele der Dinge revolutionieren, von denen man bisher glaubte, eine zentrale Behörde zu benötigen – sei es Grundbücher, Firmenregister oder Familienstammbücher. Immer dann, wenn Informationen öffentlich einsehbar, aber nicht manipulierbar sein sollen, müßte man zukünftig keinem ineffizienten und potentiell korrupten Staatsbeamten mehr trauen, sondern nur noch der unkorrumpierbaren Mathematik.

Diese Technologie hat das Potential, das Zusammenleben der Menschen auf eine neue Basis zu stellen. Das aus dem Industriezeitalter stammende Konzept des Zentralstaates, der Zwang über seine Bürger ausübt, dürfte schon bald der Vergangenheit angehören. Wir werden neue, auf Freiwilligkeit beruhende Modelle sehen, wie etwa freie Privatstädte, die sich zu Handels- und Verteidigungsbündnissen zusammenschließen. Der erste Schritt dazu, nämlich die Entstaatlichung des Geldsystems, ist bereits getan.





Aaron Koenig ist Unternehmer, Berater,  Autor und Filmproduzent.

 www.aaron-koenig.com

Aaron Koenig: Cryptocoins. Finanzbuch Verlag, München 2017, gebunden, 192 Seiten, 16,99 Euro




Die Blockchain-Technologie

Die Bitcoin-Währung wie auch andere Digitalwährungen funktionieren mittels eines Verschlüsselungsverfahrens, bei dem jeder einzelne Datensatz, Block genannt, ein kryptographisches Abbild des vorhergehenden enthält. Dieses dezentrale Buchführungssystem verkettet die codierten Datensätze (daher Blockchain, zu deutsch „Blockkette“) und ist so prinzipiell endlos erweiterbar.

Die Schwierigkeit dieser Technologie der verteilten Buchführung ist es, dabei zwischen allen Teilnehmern einen Konsens über den „richtigen“ Datensatz zu schaffen. Beim Bitcoin wird das Problem derart gelöst, daß jeder Teilnehmer dafür eine Kopie der Transaktionshistorie bekommt. Wird eine neue Transaktion getätigt, muß diese von allen Teilnehmern mit Hilfe ihrer Rechenleistung, beispielsweise am heimischen PC, bestätigt werden. Damit ist eine einmal getätigte Zahlung prinzipiell nicht mehr änderbar. Jede Bestätigung erhöht zusätzlich die Sicherheit. Ein Verkauf wäre ein neuer Schritt. 

Der Wert eines einzelnen Bitcoins richtet sich nach Angebot und Nachfrage.