© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/17 / 01. Dezember 2017

Bullenmarkt in Frankfurt
Renditeentwicklung: Aktien oder Anleihen? / Bei stabil wachsendem Markt sind die Anteilseigner im Vorteil
Carsten Müller

Der Aktienmarkt zeigt sich in Rekordlaune. Bei 13.117 Punkten notierte beispielsweise der deutsche Leitindex Dax am Montag. Wer Geld anlegen möchte – sei es für die Altersvorsorge oder um sich auf absehbare Zeit etwas leisten zu können – kommt an Aktien nicht vorbei. Nicht nur in den vergangenen Monaten zeigte sich der Markt in Bestform. Vielmehr stehen die Chancen sehr gut, daß es auch im kommenden Jahr weiter aufwärts geht und die Aktien andere Konkurrenten um die Geldanlage um Längen schlagen werden. Jedoch ist nicht zu übersehen, daß auch die Risiken gewachsen sind.

Kurz vor Jahresultimo steht das Urteil bereits fest: 2017 war ein erfolgreiches Börsenjahr wie seit langem nicht mehr. Und das, obwohl es Gründe gab, daß die Börse schlechter abschneiden könnte. Das gilt insbesondere mit Blick auf die neuen geopolitischen Gegebenheiten. Erinnert sei nur an die Unsicherheiten darüber, wie sich der seit dem 20. Januar amtierende US-Präsident Donald Trump schlagen würde. Letztlich entschieden sich die Anleger dafür, auf Trump und besonders auf seine angekündigte Steuerreform zu setzten. Das Ergebnis der sogenannten „Trump Trades“ waren immer höhere Rekorde an der Wall Street, was auch auf andere Aktienmärkte abfärbte.

Die Politik setzt auf  kleine Zinsanpassungen

Politische Krisen, wie der explosive Nahe Osten mit Iran und Saudi-Arabien sowie Islamischem Staat und Syrien-Konflikt und der Atomstreit zwischen den USA und Nordkorea, beschäftigten die Börsianer in diesem Jahr immer wieder, hinterließen aber nur geringe Spuren in den Markteinschätzungen.

Daß die Politik nur geringen oder zeitlich begrenzten Einfluß hatte, lag an anderen Faktoren. Insbesondere die Geldpolitik der Notenbanken und die davon abgeleitete Zinsentwicklung in den USA und Europa sorgten für steigende Kurse am Aktienmarkt. Das verwundert auf den ersten Blick, schließlich hob die US-Notenbank Fed in diesem Jahr bereits zweimal die Zinsen an, insgesamt von 0,75 auf 1,25 Prozent. Eine dritte Zinserhöhung für Dezember dieses Jahres wurde bereits angedeutet.

Doch dies war ein Schrecken mit Ankündigung, denn die Zinswende – nach sieben Jahren faktischer Nullzinsen – war schon lange zuvor durch die Fed bekanntgegeben worden. Hinzu kommt, daß die zweitwichtigste Zentralbank der Welt, die Europäische Zentralbank (EZB), weiterhin auf Niedrigzinsen setzt. Unterstützt durch eigene Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen aus dem Euroraum.

Mit Blick auf die dramatisch angeschwollene Notenbankbilanz ist das eine riskante Strategie. Doch sorgt diese permanente Zufuhr von Liquidität dafür, daß auch die Marktzinsen im Euroraum, die sich mehr nach Angebot und Nachfrage orientieren, auf rekordniedrigem Niveau bleiben. Und hierbei wird es vorläufig keine Änderung geben. So hatte erst kürzlich die EZB angekündigt, ihr Anleihenkaufprogramm bis mindestens September 2018 zu verlängern. Zwar mit einem reduzierten monatlichen Kaufvolumen, doch für den Markt war nicht das Volumen entscheidend, sondern das Signal, daß die Europäer noch lange nicht daran denken, aus ihrer Politik des superbilligen Geldes auszusteigen.

Gute Konjunktur bedeutet gute Renditechancen

Auch US-Börsianer rechnen nicht damit, daß es im nächsten Jahr zu einer dramatischen Erhöhung der Leitzinsen kommt, eher im Gegenteil. Was vor allem mit einer Personalie zu tun hat: Jerome Powell. Denn im Februar endet die Amtszeit der bisherigen Notenbank-Chefin Janet Yellen. Ihr designierter Nachfolger Powell ist bereits Mitglied des Direktoriums und dürfte aller Voraussicht nach die zurückhaltende Zinspolitik seiner Vorgängerin weiterführen.

Der Zinsausblick ist mit entscheidend dafür, wie die Perspektiven für die Aktienkurse beurteilt werden. Denn Aktien und Anleihen stehen in stetiger Konkurrenz um Anlagegelder. Wer bei der Rendite die Nase vorn hat, ist für die Investoren attraktiver. Und da spielt der Aktienmarkt im Niedrigzinsumfeld seine Stärken aus.

0,2 Prozent Rendite bringen deutsche Anleihen höchster Bonität. Während es der Dax als wichtigstes deutsches Börsenbarometer in diesem Jahr auf einen durchschnittlichen Dividendenertrag von 2,8 Prozent bringt. Nimmt man die Kursentwicklung in diesem Jahr hinzu, dürfte sich der Gesamtgewinn im zweistelligen Prozentbereich befinden. Der Blick in die Vergangenheit bestätigt: Die durchschnittlichen historischen Aktienrenditen im Dax liegen bei über acht Prozent.

Grundsätzlich gilt, daß Anteilszertifikate in der Regel höhere Renditen aufweisen. Das ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einem Vorteil gegenüber Anleihen, da Aktien als riskanter gelten. Je näher sich die Renditen kommen, um so attraktiver werden die als sicherer empfundenen Anleihen. Mit der Aussicht auf weiterhin rekordtiefe Zinsen im kommenden Jahr können aber Aktien ihren Renditevorteil weiter ausspielen. Was auch aus konjunktureller Sicht gerechtfertigt erscheint. Denn das Konjunkturumfeld weltweit sieht weiterhin sehr robust aus. Die USA haben zuletzt wieder eine stabile Wachstumsrate im Bereich von drei Prozent gefunden. In der Eurozone ergaben sich ebenfalls Verbesserungen bzw. die Verteidigung erreichter Niveaus. Und auch aus Asien, insbesondere China, kommt derzeit kein wesentliches Störfeuer.

Das ist besonders wichtig mit Blick auf die erreichten Niveaus bei der Bewertung zukünftiger Gewinne der Aktienunternehmen. Denn diese liegen international schon sehr nah an den historischen Höchstständen. Dies gilt grundsätzlich immer als Warnsignal, daß hier über eine Kurskorrektur Luft aus dem sprichwörtlichen Bewertungsballon abgelassen werden muß.

Wenn allerdings die Konjunktur- und damit auch die Gewinnaussichten der Unternehmen positiv bleiben, sind weniger Anleger bereit zu verkaufen. Damit könnten die Weichen gestellt sein, daß bis auf immer wieder mögliche kurze Schwächephasen die Aktienmärkte auch im kommenden Jahr weiter nach oben streben. Wer sich also als Anleger nicht mit Minizinsen abspeisen lassen will, für den bleibt der Aktienmarkt die wichtigste Alternative.