© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/17 / 01. Dezember 2017

„Gegenöffentlichkeit wirkt!“
Festakt: Die Bibliothek des Konservatismus feierte ihr fünfjähriges Jubiläum
Matthias Bäkermann

Die unverblümte Ehrlichkeit des Journalisten Ferdinand Knauß über seine Standesgenossen entlockte den Zuhörern ein bitteres Gelächter: „Man schreibt nicht für den Leser, sondern für den Kollegen“, platzte es aus dem 44jährigen Wirtschaftswoche-Redakteur heraus. Gerade unter Hauptstadtjournalisten sei es wichtig, nicht nur in den eigenen Redaktionsstuben, sondern unter seinesgleichen in diversen Hintergrundkreisen oder bei der Kaffeepause der Bundespressekonferenz zu punkten und nicht durch ungebührliche Nonkonformität anzuecken.

Das Podium in der Bibliothek des Konservatismus (BdK) in Berlin diskutierte vergangenen Freitag vor etwa hundert Zuhörern über den Einfluß der „neuen Medien auf eine neue Gesellschaft“. Und an dieser neuen Gesellschaft schreiben, da waren sich die Gesprächsteilnehmer einig, viele etablierte Medien mittlerweile vorbei. Der Feuilletonchef des Cicero, Alexander Kissler, wies in diesem Kontext wiederholt auf die von verschiedenen Meinungsforschungsinstituten oder Medienwissenschaftlern wie Hans Mathias Kepplinger analysierte parteipolitische Präferenz der deutschen Journalisten hin. Etwa zu gut zwei Dritteln seien diese rot-grün gepolt. Da müsse niemand staunen, daß diese Herrschaften Merkels Einwanderungspolitik toll fänden, so Kissler. Besonders die öffentlich-rechtlichen Medien, denen aufgrund der Zwangsfinanzierung Zuschauer- oder Hörermeinung gleichgültig sein können, übten eine negative Sogwirkung auf andere aus. 

Aber selbst das Podium war kurioserweise an diesem Freitagnachmittag beinahe der Gefahr ausgesetzt, eine Bestätigung ihrer These unter umgekehrten Vorzeichen vorzuführen. Die ähnlich lautenden Analysen zur Konformität unter Journalisten von Kissler und Knauß unterstrich auch Roland Tichy als erfahrenster Teilnehmer, der dieses Phänomen gar als „freiwillige Gleichschaltung“ zuspitzte. 

Immerhin die Publizistin und Politikberaterin Gertrud Höhler führte andere, vielleicht sogar profanere Gründe ins Feld, die Journalisten heute „auf Spur“ bringen: ihre blanke Existenzangst. Der politische Betrieb fungiere dabei fast als inoffizieller Arbeitgeber, indem er Journalisten nicht nur durch Nähe korrumpiere, sondern sogar „die Freiheiten des Denkens und Sprechens einschränke“, so Höhler. Diese „leise Revolution“ habe besonders unter Merkel Fahrt aufgenommen, meint die emeritierte Germanistin, die bereits mit ihrem Bestseller 2012 „Die Patin“ einen kritischen Fokus auf den „Umbau Deutschlands“ durch die CDU-Kanzlerin geworfen hatte.

Journalisten haben Funktion als „Gatekeeper“ eingebüßt

Roland Tichy schreibt dagegen weniger Personen als den Strukturen in der Bundesrepublik diese Wirkung zu. Ähnlich wie bei Merkel habe auch unter Kohl nach etwa zehn Jahren eine Metamorphose des Kanzlersystems zu einem informellen Präsidialsystem mit allen negativen Begleiterscheinungen eingesetzt, bemerkte der noch am Anfang der Regierungszeit des „ewigen Kanzlers“ aus dem Bonner Bundeskanzleramt zur Wirtschaftswoche die Seite wechselnde Publizist. „Deshalb befürworte ich auch eine Begrenzung der Kanzlerschaft auf zwei Legislaturperioden, ähnlich wie in den USA.“ 

Tichy hatte die Podiumsdiskussion in den Räumen der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF) zuvor mit seinem Festvortrag über den „Strukturwandel der Öffentlichkeit in Deutschland“ eingeleitet. Sicher sei in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur die Medienvielfalt zurückgegangen, sondern in der Presse auch die allenthalben hoch gelobte Diversität einer Konformität gewichen, so Tichy. Doch die Leser könnten jetzt andere Informationswege wählen. 

Journalisten hätten zudem längst ihre „Gatekeeper“-Funktion eingebüßt, was bei diesen „unglaublichen Zorn“ auf die Gegenöffentlichkeit im Netz hervorrufe. Hinzu komme, daß exklusives Wissen durch eine immer dürftigere Intellektualität in der Zunft abnehme und die Mediennutzer durch eigenen Zugang über das Netz eine unbarmherzige Prüfinstanz darstellten. „Heute gilt: Ab sofort wird zurückgeschrieben“, umriß Tichy das Leserverhalten. Mit seinem Portal „Tichys Einblick“ habe er nicht nur einen großen Wirkungskreis, sondern eine zuvor ungekannte Interaktion mit den Lesern kennengelernt. „Gegenöffentlichkeit wirkt!“ resümierte der Festredner positiv.

Dieser Optimismus paßte dann auch recht zum eigentlichen Anlaß, dem fünfjährigen Bestehen der Bibliothek des Konservatismus. JF-Chefredakteur und FKBF-Stiftungsratsvorsitzender Dieter Stein konnte mit Genugtuung ein ähnliches Fazit ziehen. Bei der Eröffnung der BdK für den Besucherverkehr 2012 mahnte er, diese dürfe „kein Ort musealer Verklärung, des Hortens verstaubter Folianten und elfenbeinturmartiger Entrückung“ werden, sondern solle neben geistiger Arbeit eben vordringlich ein „Ort der Begegnung und Debatte“ werden. Besonders durch die stets gut besuchten Vortragsveranstaltungen sei ein Ort für den ungestörten und freien Austausch entstanden, schwärmte Stein: „Daß der Wind sich dreht in Berlin, daran hat diese Einrichtung zweifellos einen kleinen Anteil.“ 

Weitere Informationen zur Bibliothek des Konservatismus im Internet:

 www.bdk-berlin.org/