© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/17 / 08. Dezember 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
„Ehrenvoll gescheitert“
Moritz Schwarz

Politiker können im Alter ihre Memoiren schreiben, um sich ein Denkmal zu setzen, sie können sich als Aufsichtsräte von Unternehmen abschöpfen lassen, um ihre bekanntlich karge Rente aufzubessern – oder sie können selbstlos dem Vaterland dienen, beziehungsweise „der Gesellschaft“ (weil mancher ja beim V-Wort rote Ohren bekommt). 

Einer der zum Vaterland jeher ein natürliches Verhältnis hat und lieber der Sache dient, als Erfolg und Ansehen zu genießen, ist Ex-BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel. Schmeichelei? Das mag denken, wer ihn stets für einen Talkshow-Matador gehalten und nicht verstanden hat, daß er es ernst meint. Auch unter Reichen und Etablierten gibt es eben preußische Gesinnung. Bester Beweis ist der ungerechte Ansehens-Ruin, den Henkel seit seinem Einsatz für die frühe AfD riskiert und erlebt hat, die damals noch als Reformpartei gedacht und zu deren Wegbereiter er mit seiner beim unzufriedenen Bürgertum erfolgreichen Publizistik geworden war, die die deutsche Selbstblockade aufzeigte.

  Der 2003 gegründete „Konvent für Deutschland“ war dann das erste Projekt Henkels (und des Unternehmensberaters Roland Berger), um praktisch durchzusetzen, was er in Büchern und Medien gefordert hatte. Keine Partei, wie die zehn Jahre später von Bernd Lucke und anderen gegründete AfD, sondern so etwas wie eine Bürgerinitiative – wenn auch die mit dem wohl höchsten Sozialprestige im Land. Statt Otto Normalverbraucher oder Max Mustermann hießen die Mitglieder etwa Klaus von Dohnanyi, Jutta Limbach, Otto Graf Lambsdorff oder Roman Herzog. ExSpitzenpolitiker mit Tagesfreizeit und Pfadfinderherz.

Ziel war, was (der am Konvent unbeteiligte) Reichskanzlerurenkel Ferdi-nand von Bismarck einmal „Deutschland wieder in den Sattel setzen“ nannte. Von Henkel weit weniger üppig als „Reform der Reformfähigkeit“ formuliert. Nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe sollte der Konvent lobbyartig auf die Politik einwirken – nicht um einzelne inhaltliche Reformen durchzusetzen, sondern um den politischen Entscheidungsapparat, Baujahr 1949, einer Generalüberholung zu unterziehen –  „den Maschinenpark der Republik zu erneuern“ (Dohnanyi). Ein reformiertes politisches Getriebe sollte dann, so die Idee, in der Lage sein, die nötigen inhaltlichen Reformen durchzuführen, welchen Inhalts auch immer.

Ein Beispiel: Wichtige Reformvorhaben müssen durch den Bundesrat – wo sie oft scheitern. Denn die Stimme von Ländern mit Koalitionensregierungen, welche sich in der Sache nicht einigen können, gelten als ein Nein. Der Konvent wollte sie als Enthaltung werten und so die Reformfähigkeit erhöhen.

Viel Schweiß der Edlen gab der Konvent für zahlreiche solcher Reformvorschläge. Doch scheiterte selbst dieser illustre Kreis an den Kräften der Beharrung – Erbhöfe gibt die Politik nun mal nicht auf. Nun löst sich der Konvent zum Jahresende auf. Mission unerfüllt. Oder, wie es Klaus von Dohnanyi auf der Abschiedsveranstaltung in Berlin formulierte: „Wir sind ehrenvoll gescheitert.“