© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/17 / 08. Dezember 2017

Stuttgart 21 und das Eingeständnis der Bahn
Der Alptraum wird wahr
Moritz Schwarz

Ist Stuttgart 21 der neue BER? Nein, an die Katastrophe des Hauptstadtflughafens reicht das Tiefbahnhof-Desaster bei weitem nicht heran. Bauverzögerung? Ja. Kostenexplosion? Ja. Bei Inbetriebnahme bereits zu klein? Ja. Aber keine Bauruine, die vor Fertigstellung schon wieder teilabgerissen werden muß. Und Stuttgart 21 wird, wenn auch insgesamt um fünf Jahre verzögert, in Betrieb gehen. Beim Flughafen „Willy Brandt“ ist das nicht sicher. Sicher ist nur, dessen Eröffnungstermin liegt schon jetzt fünf Jahre zurück und angekündigt ist der nächste erst für 2019. 

Ist verglichen damit die erneute Aufregung um Stuttgart 21 also überhaupt gerechtfertigt? Ja. Und das liegt an einer Zahl: 6,5 Milliarden. Nein, das sind nicht die Baukosten – schön wärs! 6,5 Milliarden Euro ist vielmehr die Kostengrenze, bei der das Projekt den Punkt erreicht hat, an dem Kosten und Nutzen im Patt stehen. Sprich, noch einmal würde man S 21 bei diesem Betrag nicht beginnen, weil es sich nicht mehr lohnte.

Wobei bis heute unklar ist, worin sein Vorteil überhaupt besteht – verglichen mit einer Modernisierung des alten Stuttgarter Bahnhofs. (Übrigens ein international anerkanntes architektonisches Prachtstück der Vormoderne, das man – von Günther Oettinger verunglimpft als „Hüttenkruscht“ – ab 2010 talibanartig zur Hälfte einfach weggesprengt hat.) 

Was also die Bahn als Kosten-Nutzen-Patt betrachtet, war in wirklichkeit bereits ein Milliardengrab, da ein ertüchtigter Kopfbahnhof ähnliches zu kleinerem Preis geleistet hätte. Und die Ersparnis wäre für die dringende Reparatur des Schienennetzes nötig. 

Sollten Sie nun der Meinung sein, der schlechten Nachrichten ist es damit doch genug, heißt es tapfer sein. Denn mit der Schilderung bis hierher befinden wir uns erst im Jahr 2016. 

Nun hat die Bahn in der vergangenen Woche intern eingestanden, was ihr die Kritiker des Projekts schon vor Jahren vorausgesagt haben. Die Kosten werden auch diese 2016 erreichte Kosten-Nutzen-Grenze übersteigen. Konkret geht das Unternehmen jetzt von 7,6 Milliarden Euro aus. Im Klartext: Das Projekt wird nicht genausoviel kosten, wie es Nutzen bringt – es kostet mehr. Spätestens jetzt ist selbst für den Wohlmeinendsten klar: Hier wird sinnlos Geld vergraben. Und Hand aufs Herz: Glauben Sie, daß es bis zur angekündigten Eröffnung 2024 bei diesem Betrag bleibt? Nun, der Bundesrechnungshof nicht, er schätzt die Endkosten auf zehn Milliarden. 

Und für alle, die meinen, das sei das Problem der Badener und Schwaben: S 21 wird vor allem von Bund und Bahn finanziert – nur zum kleineren Teil vom Land. Zudem hat dieses sich vertraglich abgesichert, bei Mehrkosten nicht automatisch herangezogen werden zu können. Sprich, egal wie die Kosten noch explodieren – zahlen wird der deutsche Steuerzahler und die Kunden der Bahn über weiter steigende Fahrpreise.