© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/17 / 08. Dezember 2017

Frisch gepresst

Gundolf. Der Heidelberger Germanist Friedrich Gundolf (1880–1931) erfreute sich fast zwei Jahrzehnte meisterlicher Gunst. Dann verstieß Stefan George die „Nr. 2“ seines sich gegen den Untergang des Abendlandes stemmenden „Staates“ der Dichter und Denker, weil er es gewagt hatte, 1926 eine Frau mit zweifelhaftem Ruf zu ehelichen, die promovierte Nationalökonomin Elisabeth Salomon (1893–1958). In der stattlichen Folge der Editionen Gundolfscher Korrespondenzen, mit George, mit Friedrich Wolters, Erich von Kahler, Karl Wolfskehl, Ernst Robert Curtius, wurde der Briefwechsel mit Salomon seit langem vermißt. Gunilla Eschenbach und Helmut Mojem ist es zu danken, daß sie mit ihrer kommentierten Ausgabe aller Epistel des Paares diese Lücke geschlossen haben. Allerdings ist die Ausbeute für jene Leser gering, die hier Einsichten in die politische Geistesgeschichte zwischen Bülow und Brüning erwarten. Denn es überwiegt das Private, oft Intime, das in Gundolfs angedeuteten sadomasochistischen Neigungen seltsame, womöglich „idealtypische“ Parallelen zu sexuellen Dispositionen eines berühmteren Mitbürgers im Weltdorf Heidelberg aufweist – Max Weber. (dg)

Gunilla Eschenbach, Helmut Mojem (Hrsg.): Friedrich Gundolf – Elisabeth Salomon. Briefwechsel (1914–1931).Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2017, gebunden, 751 Seiten, Abbildungen, 39,95 Euro





Neoliberalismus. Im Gegensatz zu seinen US-Kollegen, die paradoxerweise im Kernland sozialer  Finsternis so abstrakte wie surreale „Theorien der Gerechtigkeit“ am Fließband produzieren, will der deutsche, an Hegel und Marx anknüpfende Sozialphilosoph Axel Honneth seine Vorstellungen von Gerechtigkeit nicht unter Absehung geschichtlich ausgebildeter Verhältnisse entfalten. Darum vergleicht er den ideologischen Anspruch neoliberal formierter Gesellschaften mit tatsächlich geltenden Werten im realexistierenden Kapitalismus. Die sympathisierende Studie des Braunschweiger Philosophen Hans-Christoph Schmidt am Busch gibt eine gute Einführung zu Honneths, die „sittliche Ambivalenz von Märkten“ aufzeigender Kritik am Neoliberalismus. Dabei krankt dieses nicht zukunftsfähige Modell daran, daß es unfähig ist, „dafür Sorge zu tragen, daß möglichst viele Menschen sich durch Arbeit integrieren können“. (wm)

Hans-Christoph Schmidt am Busch: Was wollen wir, wenn wir arbeiten? Honneth, Hegel und die Grundlagen der Kritik des Neoliberalismus. Duncker & Humblot, Berlin 2017, broschiert, 88 Seiten, 19,90 Euro