© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/17 / 08. Dezember 2017

Nicht hörbar, also nicht schädlich?
Infraschall von Windkrafträdern bedrückt zunehmend Bürger und Anwohner
Christoph Keller

Infraschall, eine Tonhöhe (Frequenz) unterhalb von 20 Hertz, wird vom menschlichen Ohr nicht mehr als Geräusch wahrgenommen. Der Schalldruckpegel, also etwa die „Lautheit“, ist abhängig von der Tonhöhe. So gilt: Je tiefer die Frequenz, desto höher liegt die Wahrnehmungsschwelle. Bei 10 Hertz liegt sie bei 92 Dezibel, so daß Infraschall erst bei Schalldruckpegeln von mindestens 68,5 Dezibel negative Auswirkungen auf den Menschen haben sollte – etwa Konzentrationsschwäche, Kreislaufprobleme, Beeinträchtigungen des Nervensystems und der auditiven Sinnesorgane.

Ausgeschlossen seien Gesundheitsstörungen zwar nicht, aber wissenschaftlich bisher nicht belegt, faßt die Juristin Viktoria Fülbier in ihrer vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Studie über „Aktuelle Fragen zu Infraschall-Immissionen“ (Zeitschrift für Umwelt und Recht*, 7-8/2017) zusammen. Da Windenergieanlagen mit ihren Einwirkungen von Störfaktoren auf Mensch und Umwelt selbst im Nahbereich „nach bisherigem Erkenntnisstand“ unterhalb der Wahrnehmungsschwelle bleiben, bestünden keine rechtlichen Bedenken gegen ihre Genehmigung. In Nordrhein-Westfalen werde dem Infraschall sogar „grundsätzlich die Schädlichkeit abgesprochen“.

So leichtfertig als unbegründet will Fülbier die Einwände indes nicht abtun. Dazu gebe die anschwellende Kritik an den als „veraltet und unzureichend“ kritisierten Schutznormen in puncto „tieffrequenter Geräusche“ keine Veranlassung. Die Grenzwerte der Verwaltungsvorschrift Technischen Anleitung (TA) Lärm, so lautet regelmäßig der Vortrag von Windkraftgegnern, seien zu hoch angesetzt. Vom Standpunkt der herrschenden Meinung in Verwaltung und Rechtsprechung räumt Fülbier ein, daß über das vom Infraschall „unterhalb“ der gesetzlich festgelegten Wahrnehmungsschwelle ausgehende Risiko „derzeit Ungewißheit“ bestehe, da nur „vereinzelt Studien“ Gesundheitsbeeinträchtigungen nachgewiesen hätten.

Der Staat könne daher nichts tun, als den „Erkenntnisfortschritt“ auf diesem heftig umkämpften Sektor der Energiewende zu beobachten – und gegebenenfalls verfassungsrechtlich gebotene Nachbesserungen an Regelungen vornehmen, falls diese eines Tages nicht mehr dafür taugen sollten, der Pflicht zu genügen, die in Artikel 2 des Grundgesetzes genannten Rechtsgüter Leben und Gesundheit auch „unterhalb der Wahrnehmungsschwelle“ zu schützen.