© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/17 / 15. Dezember 2017

„Es war ein Tribunal“
Nach seinen provokanten politischen Äußerungen auf Twitter gehen Radikale und Studenten gegen den Rechtsprofessor Thomas Rauscher vor. Die Universität beteiligt sich an der Kampagne
Moritz Schwarz

Herr Professor Rauscher, „Ich weiß, was (an der Uni) an Haß gegen mich läuft“, sagen Sie. Was „läuft“ da?

Thomas Rauscher: Es wurde eine Stimmung geschürt, die in Beleidigungen, Haß und Hetzpostings gegen mich mündete, um mich mundtot zu machen. Schon früher kam es ja immer wieder zu kleinen Sachbeschädigungen. Nun gab es eine Welle von Beleidigungen und Verleumdungen per Twitter. Aus der Deckung der Anonymität heraus gar die Aufforderung, das Land zu verlassen.

Schlagzeilen machten jüngst Aktivisten des SDS, die Ihre Vorlesung „genutzt“ (Stern) haben, um auf Ihre „rassistischen Äußerungen aufmerksam zu machen“ (Spiegel).

Rauscher: Immerhin verlaufen meine Vorlesung und Seminar seitdem wieder friedlich und konstruktiv. Richtig ist, daß dieser „Sozialistisch-demokratische Studierendenverband“ – die Studentenorganisation der Partei Die Linke – Organisator der Kampagne gegen mich ist. Obwohl ich von der Störaktion zuvor erfahren hatte, habe ich weder die Polizei gerufen, noch mich der Konfrontation entzogen. Als ich in den Hörsaal kam, hatten Aktivisten bereits meinen Platz besetzt und verlasen eine verleumderische Erklärung gegen mich. 

In einem Mitschnitt der Aktion, den man auf Youtube ansehen kann, sprechen Sie von einem „Stalin-Hitler-Tribunal“. Ist so ein Vergleich angemessen? 

Rauscher: Ich bot an, sachlich und demokratisch zu diskutieren. Das wurde abgelehnt, denn mit „einem wie mir“ diskutiere man nicht. Statt dessen wurde ich vor meinen Studenten und mitgebrachten Claqueuren als „Rassist“ denunziert, ein Boykott gegen mich und meine Entfernung von der Uni gefordert. Anklage, „Überführung“ und Verurteilung in einem – ohne Verteidigung: Es war ein Tribunal. 

Wie reagieren Ihre Studenten?

Rauscher: Natürlich habe ich unter ihnen keine einhellige Rückendeckung. Doch gibt es etliche, die mich ermutigen. 

Ebenfalls für Schlagzeilen sorgte eine Großdemo auf dem Campus. Die Medienbilder vermittelten den Eindruck, die Studentenschaft stehe dort gegen Sie. Stimmt das?

Rauscher: Die Teilnehmerzahl wurde mit 600 angegeben – bei über 28.000 Studenten an unserer Uni. Für mich ist das nicht „die“ Studentenschaft, sondern eine kleine Minderheit, die aber extrem aggressiv ist. Und die deshalb teilweise Erfolg hat, weil sie ihren Extremismus mit dem herrschenden politisch korrekten Mainstream tarnen kann. Während meine Äußerungen – obwohl sie über jeden Zweifel an ihrer demokratischen Legitimität erhaben sind – allem widersprechen, was man vertreten sollte, will man ungestört Karriere machen. Karriereangst, und nicht mein angeblicher Rassismus, ist auch der Grund, warum sich nur eine Minderheit offen auf meine Seite stellt. 

Warum sind Sie kein Rassist, wie man Ihnen vorhält? 

Rauscher: Rassismus ist nach meinem Verständnis, Ethnien für höher- oder minderwertig zu halten. Dagegen hat die Anerkennung vorhandener Unterschiede zwischen ihnen und die Forderung nach Pflege der Kulturen in ihrer Eigenart damit nichts zu tun. 

Vorgeworfen wird Ihnen folgender Tweet: „Ein weißes Europa brüderlicher Nationen. Für mich ein wunderbares Ziel.“

Rauscher: Anlaß dafür war eine Großdemonstration unlängst in Polen, bei der laut SZ ein Motto war: „Ein weißes Europa brüderlicher Nationen“. 

Aber meint das nicht in der Tat ein Europa der „weißen“ Kaukasier? Damit wären wir doch tatsächlich beim Thema Rasse. 

Rauscher: Nein, weil „weiß“ in diesem Zusammenhang eben nicht eine Rasse, sondern die Kultur meint. Ich habe mich auf die Seite Polens gestellt, ich wollte mich gegen die Verteufelung der polnischen Konservativen wehren.

Das ist doch so aus dem Tweet nicht erkenntlich. Ihnen muß also doch klargewesen sein, daß das falsch verstanden wird. Oder war das vielleicht Ihr Ziel?

Rauscher: Wieder nein, die SZ hat das rassistisch interpretiert, ich nicht. 

Es gibt eben auch echte Europäer, die farbig sind. Warum also nicht „europäisches“ oder „abendländisches“ Europa, wenn Sie das doch, wie Sie sagen, gemeint haben? 

Rauscher: Hätte ich den Satz formuliert, hätte ich das wohl so ausgedrückt. Es war aber ein Zitat, und die Demonstration richtete sich ja nicht gegen längst integrierte Einwanderer, sondern gegen die deutsche Migrationspolitik, die Polen sich nicht aufzwingen läßt. 

Kritisiert wird zudem, daß an der Demonstration auch Rechtsradikale und Antisemiten beteiligt gewesen sein sollen.

Rauscher: Das diesbezügliche Zahlenverhältnis: Etwa 500 Extremisten zu 60.000 Bürgern – so habe ich es unseren Medien entnommen. Ich denke, das sagt alles. Abgesehen davon, daß sich deutsche Demonstrationen etwa der Kirchen, Gewerkschaften, linker Parteien auch nicht auflösen, weil militante Linksextremisten dazukommen.

Ihr zweiter inkriminierter Tweet lautet: „Wir schulden Afrikanern und Arabern nichts. Sie haben ihre Kontinente durch Korruption, Schlendrian, ungehemmte Vermehrung und Kriege zerstört und nehmen uns nun weg, was wir mit Fleiß aufgebaut haben.“ Unterstellt dieses „Nun nehmen sie uns weg“ nicht in der Tat eine Kollektivität und zielgerichtete Absicht, die eine heterogene Menschenmasse als eine homogene Entität, also etwas ähnliches wie eine Rasse, erscheinen läßt?  

Rauscher: Nein, er beschreibt nur, was staatlich-gesellschaftliche Realität ist und argumentiert, daß dafür nicht ehemals koloniale Zustände Ursache sind – denn dann wären auch ehemalige asiatische Kolonien betroffen, deren Staaten aber heute boomen –, sondern daß die Politiker und Gesellschaften Afrikas versagt haben. Und tatsächlich gibt es in einigen Staaten dort die quasi kollektive politische Absicht, Menschen in Richtung Europa loszuwerden, dort versorgen zu lassen und Geldrückflüsse zu erzeugen.             

An der Uni wird also ein Tribunal über einen Professor abgehalten – müßte da nicht der Rektor einschreiten?  

Rauscher: Das ist der eigentliche Punkt! Mit dem Extremismus des SDS kann ich umgehen. Was mich aber wirklich tief trifft, mir persönlich nahegeht, ist das Verhalten der aufsichtlich zuständigen sächsischen Wissenschaftsministerin und der Uni, also der Rektorin, des Senats und des Dekans. Denn sie befleißigen sich eines in keinerlei Hinsicht rechtsstaatlich zu rechtfertigenden Umgangs mit mir – einem Beamten, für den sie eigentlich eine Fürsorgepflicht haben, der aber nicht mal angehört und dadurch zum Objekt reduziert wird.

SPD-Ministerin Eva-Maria Stange äußerte öffentlich, der richtige Weg in Ihrem Fall sei „auch die direkte Auseinandersetzung ... so wie es die Studierenden bereits deutlich gemacht haben“. Fordert Sie damit offen zur Hatz auf Sie auf?

Rauscher: Würde ich so vorgehen wie meine Kritiker, würde ich ihr eben das unterstellen. Ich möchte aber davon ausgehen, sie meint nicht die Hetze gegen mich, sondern eine Debatte mit mir.   

Der Dekan Ihrer Fakultät, Tim Drygala, trat im „Stern“ als Kronzeuge gegen Sie auf.

Rauscher: Leider verhält sich der Kollege so hemmungslos, als führe er einen Krieg gegen mich. Etwa rückte er mich öffentlich in die Nähe der Nazi-Gruppe „Aryan Brotherhood“, die mir völlig unbekannt ist. Oder er dichtete mir Kontakte zur Identitären Bewegung an. Nun aber mußte er gegenüber dem Berliner Tagesspiegel einräumen, im Stern die Unwahrheit gesagt zu haben. 

„An der Sache sei ‘leider’ nicht viel dran“, gibt ihn der „Tagesspiegel“ wieder: „Drygala gibt zu: ‘Außer der häufigen Verwendung des Begriffs Ethnopluralismus habe er ‘keine Belege dafür, daß Herr Rauscher der IB nahesteht‘.“ 

Rauscher: Professor Drygala hatte mich ebenfalls beschuldigt, ich hätte versucht, Literatur der Identitären Bewegung zu verbreiten, indem ich ihm diese empfohlen hätte. Nun mußte er einräumen, daß ich ihn lediglich auf Äußerungen des bekannten Ökonomen Paul Collier hingewiesen hatte – der mit der IB nichts zu tun, aber schon Kanzlerin Merkel beraten hat – und die dieser in einem Zeit-Interview gemacht hat. 

Der MDR berichtet von einer Petition mit immerhin 17.400 Unterschriften, die dienstrechtliche Schritte gegen Sie fordert, sowie Ihre Enthebung als Erasmus-Beauftragter der Universität – und die die Rektorin, laut Medien, „beeindruckt“ und mit „Verständnis“ entgegengenommen hat.

Rauscher: Diese Unterschriften kommen keineswegs alle aus der Studentenschaft, sie wurden über einschlägige Petitionsportale im Netz gesammelt. Übrigens ließ sich der Petitionstext nicht öffnen. Viele haben einen Text unterzeichnet, den sie nicht gelesen haben.

Woher wissen Sie das?

Rauscher: Ich war auf dem Portal. 

Vielleicht war es eine kurzzeitige Störung? 

Rauscher: Nein, ich bin auch von anderen darauf hingewiesen worden.

Wie erklärt sich der Widerspruch, daß die Uni ausgerechnet einen „Rassisten“ zum Erasmus-Beauftragten – zuständig für den internationalen Austausch – gemacht hat?

Rauscher: Tja, ich setze mich seit Jahrzehnten mit fremden Kulturen auseinander, bereise und studiere sie, finde immer wieder Bereicherndes an ihnen. Und als Erasmus-Beauftragter habe ich jahrelang den Austausch mit Studenten und Professoren aus anderen Ländern und Kulturen vorangetrieben. Wogegen ich mich ausspreche, ist nur die gezielte Vermischung von Kulturen, was nämlich darauf hinausläuft, daß sie beidseits verschwinden.

Wollten Sie Erasmus-Beauftragter werden? 

Rauscher: Ja, das hat mir immer Freude gemacht. Ich habe zudem den Masterstudiengang zum europäischen Rechtsverkehr ins Leben gerufen, der vorwiegend ausländische Studenten anzieht.

Gab es in den über zwanzig Jahren Ihrer Erasmus-Tätigkeit Beschwerden, weil Sie diese in rassistischer Weise ausgeübt hätten?

Rauscher: Nein, auch nicht jetzt, wo man nach so etwas sucht. Weder von Ex-Studenten, noch von jenen, die heute die Anschuldigungen gegen mich erheben. 

Was erleben Sie, wenn Sie über den Campus gehen? 

Rauscher: Ich kann das ungefährdet tun und werde auch nicht öffentlich beschimpft. Ich fühle mich aber unter „Beobachtung“, was sehr unangenehm ist. 

Wie reagieren Ihre Kollegen? 

Rauscher: Bis auf Herrn Drygala gar nicht. Hinter meinem Rücken haben sich die Kollegen abgestimmt für eine Stellungnahme auf der Webseite der Fakultät. Mich hat man dazu aus dem Mail-Verteiler genommen.

Woher haben Sie solche Informationen?

Rauscher: Inzwischen weiß ich es offiziell von der Prodekanin. Es gibt aber auch Leute, die mich unterstützen – natürlich nicht öffentlich, um sich nicht zu gefährden – und mich informieren. 

Die sogenannten „Hurensöhne“?

Rauscher: So hat Herr Drygala denjenigen genannt, der seine Facebook-Veröffentlichungen liest und mir gegebenenfalls mitteilt. Und er hat ein Kopfgeld von 1.000 Euro auf ihn ausgesetzt.

Kopfgeld? 

Rauscher: Originalton Drygala: „1.000 Euro werden ausgelobt für Hinweise auf den Hurensohn, der im Auftrag eines Kollegen meinen Account überwacht.“ Mit Kollegen meint er mich und mit Hurensohn jenen, der nichts weiter tut, als zu lesen und weiterzuleiten, was Drygala offen im Netz schreibt. So wie er selbst meine Twitter-Äußerungen gelesen und geteilt hat. Die Botschaft: Wer Rauscher unterstützt, hat Nachteile zu erwarten. Übrigens, als er von Journalisten auf seine Wortwahl hingewiesen wurde, erklärte Professor Drygala: „Ich sage ständig Hurensohn. Zu jedem Arsch, der mir auf den Sack geht.“

Hat die Uni ihn zur Ordnung gerufen? 

Rauscher: Nicht, daß ich wüßte.

Die Uni hat angekündigt, sie werde nun „Untersuchungen einleiten und dienstrechtliche Schritte“ gegen Sie „prüfen“.

Rauscher: Ich fürchte keine rechtlichen Folgen, weil nichts Relevantes vorliegt. Um so mehr ist dies empörend, ebenso wie der Umstand, daß ich nicht angehört worden bin. Oder daß die Ministerin mich privat per Twitter als „fremdenfeindlich“ denunziert hat. An dieser Schädigung meines Ansehens werde ich noch lange schwer tragen.  

Wie sehen Sie die Medienberichterstattung?

Rauscher: Bis jetzt als verheerend. Die meisten Medien, auch die Leit- und „Qualitätsmedien“, etwa Spiegel Online, haben nicht berichtet, sondern skandalisiert, haben die Vorwürfe gegen mich nicht als solche vor-, sondern als angebliche Tatsachen dargestellt. Und von einer Trennung zwischen Bericht und Kommentar kann ohnehin keine Rede sein.  

Haben Sie allerdings nicht gegen das Mäßigungsgebot für Beamte verstoßen? 

Rauscher: Nein, denn es geht nicht um dienstliche Belange, sondern um allgemeinpolitische Fragen. Sich dazu zu äußern, dazu muß auch der Beamte in seiner Eigenschaft als Privatmann das Recht haben. 

Ja, gemäßigt, nicht provokativ wie Sie. 

Rauscher: Gesellschaftlich hat sich auch das Verständnis vom Beamten gewandelt. Er ist nicht mehr gehorsamer Diener des Staates, sondern ebenfalls mündiger Bürger. Das Mäßigungsgebot wäre verletzt, wenn Dienstobliegenheiten betroffen oder die Äußerungen strafbar wären. 






Prof. Dr. Thomas Rauscher, ist Direktor des Instituts für ausländisches und europäisches Privat- und Verfahrensrecht und doziert internationales Privatrecht, Rechtsvergleichung und Bürgerliches Recht. Zuvor lehrte Rauscher, geboren 1955 in Erlangen, in München, Frankfurt, Hamburg und Marburg. 

Foto: Studenten fordern am 21. November auf dem Campus der Universität Leipzig Sanktionen gegen Professor Rauscher: „Es wird Stimmung geschürt, um mich mundtot zu machen“


 

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