© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/17 / 15. Dezember 2017

Yahya Hassan. Dänemarks Vorzeige-Einwandererkind sitzt nun im Gefängnis
Wut im Bauch
Mina Buts

Ausgerechnet mit einem Gedichtband gelang dem damals 18jährigen Yahya Hassan 2013 eine literarische Sensation. Innerhalb von zehn Wochen wurden mehr als 100.000 Exemplare verkauft, eine deutsche Übersetzung ist bei Ullstein erschienen. Mit unglaublicher Sprachgewalt, in geschliffenem Dänisch, mit selbstgeschaffenen Wörtern und ironischer „Kanakensprache“, rechnete er darin sowohl mit der dänischen Gesellschaft als auch mit dem islamischen Milieu, in dem er aufgewachsen ist, ab.

„Ich bin so unglaublich wütend über die Generation meiner Eltern“, erklärte der 1995 in Aarhus geborene Palästinenser. Aufgewachsen ist er mit vier Geschwistern in einem moslemisch geprägten Problemviertel, wo Gewalt und Angst an der Tagesordnung sind. Seine arabischen Eltern bezeichnete Hassan als bigott: „Einerseits haben sie gefastet und gebetet, aber gleichzeitig haben sie in ganz großem Stil die Gesellschaft betrogen“, ebenso wie viele andere Moslems, die zum Freitagsgebet gehen, aber „stehlen, hehlen, saufen, huren“. 

Eine Befreiung aus diesem Milieu war kaum möglich – so Hassans Vorwurf an die dänische Gesellschaft – auch er kiffte, klaute und landete schließlich in einer Erziehungsanstalt. Einem Lehrer fiel seine literarische Ader auf, er ermutigte ihn zum Lesen, Dostojewski etwa, schließlich wurde er in die „Verfasserschule“ für dänische Nachwuchsschriftsteller aufgenommen. Sein Debüt „Digte“ (deutsch: „Gedichte“) begeisterte: „Schonungslos, intelligent, einnehmend“, so die literarische Kritik – während vor allem unter jungen Muslimen die Reaktionen zwiespältig waren. Den einen sprach Hassan offenbar aus der Seele, die anderen erklärten ihn zum Nestbeschmutzer, selbst seine Mutter sagte sich zeitweise von ihm los. Drohungen gegen ihn blieben nicht aus; bei einem Attentat wurde er verletzt und erhielt Polizeischutz.

Ausdrücklich betont Hassan immer wieder, er äußere sich nicht „als Teilnehmer einer Einwanderungsdebatte, sondern als Dichter“. Und angesprochen auf Beifall „von der falschen Seite“, antwortete er, das sei ihm egal. Seine Verachtung aber für westliche Journalisten, die „immer schon fertige Bilder im Kopf“ hätten, sei „grenzenlos.“ Ein kurzes Engagement bei der dänischen Nationalpartiet, einer moslemischen Partei von Einwanderern, blieb erfolglos. 

Auch sonst sinkt Hassans Stern, seit er mit martialischen Posen und Halbstarkensprüchen und einer Autofahrt unter Drogen Schlagzeilen macht. Nun sitzt er im Gefängnis, verurteilt zu einem Jahr und neun Monaten wegen eines Pistolenschusses, bei dem ein 17jähriger, der ihn provoziert hatte, am Fuß verletzt worden ist. Hassan sprach von Notwehr, das Gericht nicht. Ob die Tat im Zusammenhang mit Bedrohungen durch die „Black Army“, einer islamistischen Jugendbande, die sich in Dänemarks Großstädten formiert hat, steht, konnte vor Gericht ebenfalls nicht geklärt werden.