© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/17 / 15. Dezember 2017

Ländersache: Bayern
Der Straßenstreit erreicht den Landtag
Thorsten Brückner

Die Frage, wer künftig bayerischer Ministerpräsident sein wird, dominierte in den vergangenen Wochen den Nachrichtenzyklus zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen. Nur bayernweite Relevanz hatten in dieser Zeit zwei Themen, die die Franken, Schwaben und Altbayern in ihrer täglichen Lebensrealität ungleich stärker betreffen. 123 Prozesse drehen sich derzeit im Freistaat um die Pflicht von Anwohnern, Straßenausbaubeiträge zu entrichten – freilich ohne Mitspracherecht, wann und ob gebaut wird. 

Hier handelt es sich nicht um einen symbolischen Betrag. Je nach Straßenart, Grundstücksgröße und Art der Bebauung können bisweilen fünfstellige Summen anfallen, die den Eigentümer in den finanziellen Ruin treiben würden. „Der Ärger, den diese Beiträge auslösen, ist deutlich größer als der Nutzen“, begründete Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger die Notwendigkeit für einen Gesetzesentwurf, den seine Fraktion ins Maximilianeum einbringen will. Geht es nach den Freien Wählern sollen die Straßen künftig über eine Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs aus dem Steuersäckel finanziert werden. „Sollte sich die Staatsregierung hier weiter unnachgiebig zeigen, steht ein neues Volksbegehren der Feien Wähler im Raum“, drohte er. Auch die außerparlamentarische FDP hat das Thema für sich entdeckt und fordert ebenfalls die Abschaffung.

Die Position der CSU ist vage. Aus der bisherigen „Soll“-Bestimmung will die Partei eine „Kann“-Regel machen, die es Kommunen freistellt, Beiträge zu erheben. Dagegen protestiert wiederum der Bayerische Städtetag. Der Verband moniert, daß das von den Christsozialen angepriesene Optionsmodell de facto auf eine Abschaffung hinausliefe.

 Bei einem weiteren großen Reformvorhaben herrscht indes Einigkeit. Mit den Stimmen aller Fraktionen hat der Kommunalausschuß des Landtags ein neues Kommunalwahlrecht auf den Weg gebracht. Im Streit um das Mandatszuteilungsprinzip hatte sich CSU-Chef Horst Seehofer mit markigen Worten gegen die eigene Fraktion gestellt. Die wollte eine Rückkehr zum d’Hondtschen-Verfahren, dessen größter Profiteur in der Vergangenheit die CSU war. Es sei „nicht sein Projekt“, das Kommunalwahlrecht wieder so zu ändern, daß davon vor allem die CSU profitiere, sagte Seehofer. Aber auch das unter der schwarz-gelben Koalition 2010 eingeführte Hare-Niemeyer-Verfahren gehört ab der kommenden Wahl 2020 der Vergangenheit an. Ab sofort kommt – wie bei der Bundestagswahl – das Sainte-Laguë/Schepers-Auszählverfahren zum Einsatz. Das begünstigt ähnlich wie Hare-Niemeyer kleine Parteien, ist aber bei der Mandatszuteilung allgemein akkurater. Nicht durchsetzen konnte sich  die SPD mit ihrem Antrag, das Wahlalter auf 16 zu senken.

 Die in Bayern oft unterhalb der öffentlichen Wahrnehmungsgrenze operierenden Sozialdemokraten haben aber bereits ein neues Projekt für sich entdeckt und eine Frauenquote für den Bayerischen Landtag gefordert. Sie soll die Parteien zwingen, ihre Wahlkreislisten abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen. Dem Vorhaben dürfte in etwa so viel Erfolg beschieden sein wie der letztjährigen Forderung nach einer Europastrophe für die Bayernhymne (JF 50/16), die unter den Bajuwaren nur zu irritiertem Kopfschütteln geführt hat.