© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/17 / 15. Dezember 2017

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Aus Anlaß der Gründung des finnischen Staates vor 100 Jahren: Im Ehrenhain bei Hohenlockstedt (Schleswig-Holstein) findet sich noch eine Stele zur Erinnerung an das 27. Königlich Preußische Jägerbataillon. Es bestand aus finnischen Rekruten – daher „Finnische Jäger“ –, die dann gegen Rußland eingesetzt wurden, in der Hoffnung, zur Befreiung ihres Vaterlandes von der Zarenherrschaft beizutragen. Diese Hoffnung ging in Erfüllung, und mehr als das, die „Jägerbewegung“ spielte für den Aufbau der finnischen Republik in den folgenden Jahrzehnten eine entscheidende Rolle. – Auch ein Hinweis auf den konstruktiven Charakter der deutschen Neuordnungspläne in diesem Raum, als deren überdauernden Rest man Finnland betrachten kann. Das erwähnte Denkmal trägt die Inschrift: „Das mächtige Deutschland nahm Finnlands junge Männer auf und erzog sie in seinem ruhmreichen Heere zu Soldaten. Zur Befreiung des Vaterlandes erhob sich Finnlands Jugend zu Beginn des Weltkrieges und ging in die Fremde, um dort das Waffenhandwerk zu lernen. Zum Andenken an das Königl. Preussische Jägerbataillon 27, das 1915/16 im Lockstedter Lager aufgestellt und ausgebildet wurde und 1916/17 an der Ostfront Schulter an Schulter mit deutschen Truppen kämpfte, um dann entscheidend an dem finnischen Befreiungskrieg teilzunehmen.“

˜

Rochelle Gutierrez, Professorin an der Universität Illinois, hat die Ursachen für das notorisch schlechte Abschneiden von Menschen mit Migrationshintergrund im Fach Mathematik an den amerikanischen Schulen und Hochschulen geklärt: Algebra sei rassistisch, was man darauf zurückführen könne, daß deren Grundlage von den antiken Griechen und anderen alten toten weißen Männern geschaffen wurde.

˜

Netflix strahlt seit kurzem die zweite Staffel der Serie „The Crown“ aus, die das Leben Elisabeths II. behandelt. Die Darstellung ist von dem, was die Klatschpresse bringt, ebenso weit entfernt wie von Hofberichterstattung. Was beeindruckt, ist vor allem das gänzliche Fehlen einer denunziatorischen Absicht im Hinblick auf die Königin und deren zähe Verteidigung der „Krone“ gegen die Sentimentalität wie das Selbstentfaltungsbedürfnis ihrer Umgebung. Das gilt selbstverständlich im Fall ihrer Schwester Margaret – das Enfant terrible dieser Generation der Windsors – wie im Fall ihres Ehemanns, Prinz Philip. Es würde sich lohnen, dessen Biographie im Vergleich zu derjenigen des anderen Prinzgemahls – Albert, Ehemann von Königin Victoria – zu betrachten. Albert konnte von sich sagen, daß er bis auf den Titel alle Befugnisse eines Monarchen habe, und seine Gattin pflegte immer ein Gefühl der Inferiorität ihm gegenüber. Auch bei der Heirat von Elisabeth und Philip spielte die Vorstellung von der natürlichen Unterordnung der Frau noch eine Rolle, aber offenbar ist die regierende Königin aus anderem Holz geschnitzt als ihre Vorgängerin und Philip schon deshalb verdammt, eine Nebenrolle zu spielen im Staatstheater.

˜

Bildungsbericht in loser Folge: Die Ergebnisse der „Iglu“-Studie über die mangelhafte Lese- und Schreibfähigkeit deutscher Grundschüler kann niemanden überraschen. Die Ursachen sind leicht zu benennen. Sie liegen im wachsenden Bevölkerungsanteil derjenigen, die der deutschen Sprache sowieso nicht mächtig sind, der Verwandlung der ersten Klassen in eine Fortsetzung des Kindergartens und dem Siegeszug der Gluckenpädagogik auch an den weiterführenden Schulen.

˜

Angesichts der Durchsuchung bei den linken G20-Aktivisten fühlte ich mich an die Äußerung eines Kriminalbeamten erinnert, der nach einem Anschlag auf mein Haus vor mehreren Jahren (zerbrochene Fenster, Lackfarbe an der Fassade, im Inneren auf Büchern, Möbeln, Böden) meinte: „Natürlich wissen wir, wo wir suchen müßten, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Aber das ist politisch nicht gewollt, das werden Sie verstehen.“ Nun, ich verstand nicht, nehme aber zur Kenntnis, daß sich seither irgend-etwas geändert hat.

˜

Bei der Auseinandersetzung um die Äußerungen des Juristen Rauscher fällt auf, daß selbst seine Verteidiger ins Formale ausweichen – er habe nur sein Recht auf Meinungsäußerung wahrgenommen, es liege kein disziplinarischer Verstoß vor –, aber kaum jemand zu der Feststellung kommt, daß der Mann einfach Geschmack beweist und die Wahrheit sagt. Das Absehen von der Geschmacks- wie der Wahrheitsfrage ist typisch für die Gegenwart, genauso wie das alles übertönende Wutgeheul der Dummen und der Bösen.

˜

Natürlich hat Paddingtons Tante Lucy ganz recht damit, daß diese Welt ein besserer Ort wäre, wenn die Leute Manieren hätten. Aber entscheidend bleibt der zusätzliche Hinweis, daß, sollten Manieren einmal nicht helfen, ein durchdringender Blick Wunder wirkt.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 5. Januar in der JF-Ausgabe 2/18.