© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/17-01/18 22. Dezember / 29. Dezember 2017

Dritte Wege des Homo oeconomicus
Wirtschaftsliteratur: Florian Hoffmann will in seinem Buch „Reichtum der Welt – für alle“ gangbare Wege für eine erneuerte soziale Marktwirtschaft aufzeigen
Christoph-Maximilian Zeitler

Die gerechte Konstruktion des Wirtschaftssystems hat die Menschheit seit jeher umgetrieben: Der Sozialismus und der „Neoliberalismus“ bilden dabei die gedanklichen Extrempole, dazwischen ist die Zahl der Schattierungen nahezu unermeßlich. Die gewaltsame Erzwingung ideologischer Gerechtigkeitsziele hat unermeßliches Leid gebracht, weshalb sich in vielen Ländern marktwirtschaftliche Systeme durchsetzen konnten. Dies entbindet eine Gesellschaft aber nicht, freiheitliche und soziale Elemente sowie Aspekte der Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit immer wieder neu abzuwägen.

Genau dort setzt Florian Hoffmann in seinem neuen Buch „Reichtum der Welt – für alle“ an: Der Marxismus ist für ihn genauso Ideologie wie ein scheinbar harmlos daherkommender Neoliberalismus. Er plädiert daher für das, was man bereits im 19. Jahrhundert als den „Dritten Weg“ bezeichnete: eine soziale Marktwirtschaft. Für Hoffmann muß dabei die „soziale Marktwirtschaft“ aber anders gelesen werden, um das „Recht des Schwächeren“ zu schützen. Anders als Walter Eucken oder Ludwig Erhard schwebt Hoffmann ein an den Ökonomen Friedrich List angelehntes Marktmodell vor, in dem der Bürger durch „Wohlstand zur Freiheit“ gelangt und nicht wie bei Adam Smith „durch Freiheit zum Wohlstand“.

Der 70jährige Wirtschaftsanwalt und Kartellexperte beschreibt den sich entwickelnden „homo oeconomicus“, der sein eigenes Haus verläßt und sich so langsam von der reinen Subsistenzwirtschaft verabschiedet, hin zu einer arbeitsteiligen Wirtschaft, die sich bewußt spezialisiert, um so die Effizienz zu erhöhen. Es folgt ein Rekurs auf die Gedankenwelt der Antike: Bereits Aristoteles unterscheide nämlich zwischen der „Haus“-Wirtschaft (Ökonomie), dem Ort der Produktion und Lagerung, und der Katallaxie – der Tauschwirtschaft im Außenverhältnis. Über allem thront dann die Geld- und Finanzwirtschaft, für die Platon einst den Begriff der „Chrematistik“ erfand.

Hoffmann, der von der Wirtschaftswoche als „Kartellrebell“ tituliert wurde, will dabei „die Dominanz der anglo-amerikanischen Ökonomik“ durch ein System der kooperativ agierenden Gemeinschaft brechen, in dem neben das Primat der Effizienz ein Primat der Gemeinschaft tritt – die Marktteilnehmer würden sich dann – so seine These – nicht mehr im Preis unterbieten, sondern in der Qualität überbieten. Ein reiner Wettbewerb über den Preis führe zwangsläufig immer zu einem Zustand maximaler Effizienz mit einem tödlichen Ausgang für den Mitbewerber, also letztlich zu Gigantismus und monopol­artigen Strukturen, wie dies heutzutage bei den amerikanischen Weltkonzernen von Amazon bis Google ablesbar sei.

Auch die aus den USA stammenden und bei uns in der Nachkriegszeit übernommenen Kartellbehörden könnten eine privat solidarisierte Gemeinschaft nicht ersetzen – in ihnen sieht der Autor vielmehr „inquisitorische Behörden“, die eine höhere Wertschöpfung in Form höherer Branchengewinne gerade verhinderten. Vorbild sind für ihn die Zünfte, die als Solidargemeinschaft die mittelalterlichen Städte reich gemacht hätten und später dann durch Innungen oder die als Folge der geplatzten „Eisenbahnspekulationsblase“ seit 1873 gegründeten Industriekartelle ersetzt wurden.

Hoffmann ist ein Verfechter der Bedarfsgerechtigkeit, wobei naturgemäß die Bedürfnisse in einer Volkswirtschaft sehr verschieden und objektiv nur sehr schwer ermittelbar sind, weshalb Staatseingriffe in die Preisbildung immer auch negative Folgen mit sich bringen: So war der Mindestpreis lange das Hauptinstrument der EU-Agrarpolitik – mit den bekannten Folgen: Butterberge und Milchseen. Letztlich muß der soziale Ausgleich in einer modernen Volkswirtschaft auch nicht mehr wie früher durch Preisfestlegungen und Kartelle erfolgen, sondern durch Spielregeln, die der Gesetzgeber vorgibt und deren Umsetzung der Rechtsstaat garantiert.

Florian Hoffmann: Reichtum der Welt – für alle. Durch Wohlstand zur Freiheit. Globethics Verlag, Genf 2017, broschiert, 122 Seiten, 14,73 Euro