© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/17-01/18 22. Dezember / 29. Dezember 2017

Natur, Kunst, Musik: Wieder religiöse Resonanzerfahrungen machen
Eine Art Heilsidee
(wm)

Vor zehn Jahren wurde der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa mit der „Entdeckung“ des eigentlich seit gut 100 Jahren – nachdem Georg Simmel und Max Weber ihre Werke veröffentlichten – vertrauten Phänomens bekannt, daß die moderne „Beschleunigungsgesellschaft“ den Menschen einen „verdinglichenden Modus“ aufzwinge. Um diese „Entfremdungserfahrung“, die sich nicht nur im Wirtschaftsleben machen lasse, aufzuheben, schlägt Rosa keine Alternativen zum kapitalistischen System vor. Es genüge, mit intensiveren „Resonanzerfahrungen“ den Status quo erträglicher zu gestalten. Komme der Mensch mit seinesgleichen, mit Dingen, der Natur, Kunst, Musik oder mit transzendenten Mächten „so in Kontakt“, daß er sich „durch diese Begegnung verändert“, sei „gutes Leben“ im Bestehenden möglich, erklärt Rosa seine universalistische Theorie, die er als „eine Art Heilsidee“ anpreist (Herder Korrespondenz, 10/2017). Sogar Obdachlosen, „die es leider immer mehr gibt“, verschaffe heilsame Resonanz, wer ihren bettelnden Appell erhöre. Immer schwerer hingegen werde es, in Europa religiöse Resonanzerfahrungen zu machen. Für viele sei der Gottesdienst „ein kompletter toter Ritus“. Ihn gelte es, mit neuem Leben zu erfüllen, da die Befriedigung des „religiösen Grundbedürfnisses“  am besten dem „verdinglichenden Weltverhältnis“ trotze. 


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