© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/17-01/18 22. Dezember / 29. Dezember 2017

Hitlers Rivale im Norden
Albrecht von Graefe wurde vor 150 Jahren geboren
Volker König

Er war der Kopf einer heute weitgehend vergessenen Partei in der Weimarer Republik: Albrecht von Graefe, Chef der Deutschvölkischen Freiheitspartei (DVFP), die nach dem sogenannten „Hitler-Putsch“ 1923 in München als zeitweiliges Auffangbecken der verbotenen NSDAP fungierte.

Vor 150 Jahren, am 1. Januar 1868, wurde Albrecht von Graefe in Berlin geboren. Nach einem zweisemestrigen Jura-Studium und dem Militärdienst übernahm er 1899 das elterliche Gut Goldebee in Mecklenburg-Schwerin. Daneben wirkte er von 1896 bis 1897 als Diplomat im Osmanischen Reich. Politisch engagierte sich Graefe im Kaiserreich in der Deutschkonservativen Partei. Nach 1918 gründete er die Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) mit, die er auch im Reichstag vertrat.

1922 spaltete er sich mit der völkischen Splittergruppe als Deutsch-völkische Freiheitspartei von der DNVP ab. Prominente Köpfe neben Graefe als Vorsitzendem waren der „Chefideologe“ Reinhold Wulle und Ernst von Reventlow. Von Anfang an befand sich die DVFP in Konkurrenz zur NSDAP, mit der man sich in taktischen Absprachen darauf einigte, Hitlers Partei den Süden Deutschlands zu überlassen, während Graefe im Norden und Osten freie Hand bekam. Allerdings beteiligte sich die DVFP am Hitler-Ludendorff-Putsch 1923, was ihr wie der NSDAP das zeitweilige Verbot einbrachte. 

Nachdem die DVFP 1924 wieder zugelassen wurde, setzte sich vor allem Ludendorff für die Überführung der NSDAP-Mitglieder in diese Partei ein. Gemeinsam mit Gregor Strasser und Ernst Röhm organisierte Graefe zur Reichstagswahl im Mai 1924 die Listenverbindung „Nationalsozialistische Freiheitspartei“. Diese erhielt immerhin 32 Reichstagsmandate – zum Unwillen Hitlers, der aus der Landsberger Haft die völkischen Protagonisten gegeneinander auszuspielen versuchte. Später schrieb er im Brief an den DVFP-Chef, er werde „nie mehr ein Trommler sein für Menschen wie Graefe“.

Bei aller antisemitischen Gemeinsamkeit zur NSDAP gab es auch Trennendes: So sprach sich die DVFP nicht für einen Führerstaat aus, sondern propagierte die Rückkehr zur Monarchie und die Dezentralisierung der Wirtschaft. Auch optisch blieb die DVFP eher eine Honoratiorenpartei und verzichtete auf den „Knüppelgarden“-Stil der NSDAP. Nach dem Verlust seines Reichstagsmandats bei der Wahl 1928 zog sich Graefe aus der Politik zurück. Er starb am 18. April 1933 auf seinem Gut Goldebee. So erlebte er nicht mehr das endgültige Verbot seiner ohnehin nur noch ein Schattendasein führenden Partei am 14. Juli 1933.