© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Markus Widenmeyer folgt in Stuttgart Jörg Meuthen und kämpft für eine christliche AfD
Der Nachrücker
Gernot Facius

Die Geburtsstation der AfD, das ist fast in Vergessenheit geraten, war ein evangelischer Gemeindesaal im hessischen Oberursel und „Taufpaten“ waren engagierte Christen aus Landes- und Freikirchen. Wie immer man die Partei heute einschätzt, es wird schwerfallen, ihr einen christlich-konservativen Kern abzusprechen.

Im notorisch unruhigen baden-württembergischen AfD-Verband ist das Landtagsmandat des ins Europaparlament gewechselten Bundessprechers Jörg Meuthen nun an den 44jährigen Markus Widenmeyer aus Böblingen bei Stuttgart gefallen. Der promovierte Chemiker, Philosoph und Buchautor („Welt ohne Gott. Eine kritische Analyse des Naturalismus“) läßt sich, da können sich Kritiker noch so sehr anstrengen, nicht ins Rechtsaußen- Lager der Partei einsortieren.

Der Neu-Parlamentarier hat seine ersten politischen Erfahrungen 2006 in der PBC, der Partei Bibeltreuer Christen, und fünf Jahre später in der christlich-konservativen AUF-Partei (Arbeit, Umwelt und Familie) gesammelt. Widenmeyer wird somit medial als „christlicher Fundamentalist“ stigmatisiert. Im Gottesdienst seiner evangelischen freikirchlichen Gemeinde steht er gelegentlich am Lesepult. Er kämpft, das macht ihn den etablierten Medien verdächtig, für eine klare familienorientierte Politik und scheut dabei auch nicht den Schulterschluß mit Katholiken, die mit ihrer Amtskirche fremdeln. Er stimmt mit ihnen überein in der starken Betonung der traditionellen Familie, ist wie sie gegen Abtreibung und Homosexuellen-„Ehe“. Widenmeyer sucht die offenkundige mangelnde Geschlossenheit der Union in bestimmten ethischen Fragen zu nutzen, um enttäuschte Wähler der C-Parteien ins alternative Lager zu ziehen.

Bereits 2009 hatte er ein „Engagement von Kräften guten Willens“ in der Union für aussichtslos erklärt. „Die CDU/CSU forciert aktiv und ohne erkennbare Not die Zerstörung unserer ethischen, christlichen und kulturellen Grundlage!“, so sein Verdikt. Daß 75 Unionsabgeordnete für die „Ehe für alle“ votierten, hat Widenmeyers Ansicht bestätigt, Christen würden dort lediglich „als Alibi gehalten“. Und er sucht weitere christlich-konservative Schnittmengen herauszuarbeiten, etwa in der Bildungspolitik. Kinder sollten zu Hause erzogen, Ganztagsschulen abgeschafft werden, denn „Kollektivbetreuung“ sei von Übel. 

Unwohl ist ihm freilich bei „manchem Tonfall“ in der AfD. Aber, gibt er zu bedenken, keine Partei sei „perfekt“, überall gebe es „Problematisches“. Möglich jedoch, daß er bald mit einem  ganz besonderen „Problem“ konfrontiert ist: In Stuttgart halten sich Gerüchte, der unter Antisemitismusverdacht stehende und auf Betreiben von Widenmeyers Vorgänger Meuthen aus der Fraktion ausgeschlossene Abgeordnete Wolfgang Gedeon könnte zurückkehren. Das gibt seinem Nachrücken Brisanz, sollte es zum Ringen darum kommen.