© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

„Begeistert, etwas für den Staat zu tun“
Nachruf auf Ulrich Wegener: Der „Held von Mogadischu“ und legendäre Gründer der Antiterroreinheit GSG 9 ist im Alter von 88 Jahren verstorben
Peter Möller

Wäre die Bundeswehr etwas schneller gewesen, hätte es die erfolgreiche Geiselbefreiung von Mogadischu im Herbst 1977 vielleicht nie gegeben. Ganz sicher aber wäre der Ende Dezember gestorbene Kommandeur der GSG 9, Ulrich Wegener, nicht zur Legende geworden. Denn der Gründer der Eliteeinheit des damaligen Bundesgrenzschutzes (BGS) hatte sich 1958 sowohl beim BGS als auch bei der gerade gegründeten Bundeswehr beworben. „Der BGS kam mit seiner Einberufung zuerst, sonst wäre ich bei der Bundeswehr gelandet“, schrieb er in seiner im vergangenen Jahr erschienenen Autobiographie (JF 42/17). Wegener zog es damals, nach seiner Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei in Baden-Württemberg, der Familientradition folgend zu einer militärischen Einheit. Da der Bundesgrenzschutz Ende der fünfziger Jahre noch eine militärische Organisation mit Kombattantenstatus war, hatte er sich nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch dort beworben.

So untrennbar Wegeners Name mit der „alten“ Bundesrepublik und der Bedrohung der freiheitlichen Demokratie durch den terroristischen Linksextremismus der RAF verbunden ist, so sehr war Wegener geprägt von den Erschütterungen und Verwerfungen durch den Zweiten Weltkrieg und die beiden deutschen Diktaturen. Geboren wurde Wegener 1929 als Sproß einer preußischen Offiziersfamilie im brandenburgischen Jüterbog. Von seinem nationalkonservativ eingestellten Vater, der den Nationalsozialisten ablehnend gegenüberstand, übernahm er die antitotalitäre Grundhaltung. 

Damit eckte er nach der Gründung der DDR an. Ende 1950 wurde Ulrich Wegener mit zwei Freunden beim Verteilen regimekritischer Flugblätter erwischt. In einem Schauprozeß wurde der junge Mann zu 18 Monaten Zuchthaus verurteilt. Weit schlimmer als die Haftstrafe wog für Wegener, daß sein jüngerer Bruder Klaus vor Gericht gegen ihn ausgesagt hatte. „Ich brach mit ihm danach jeglichen Kontakt ab und habe nie wieder etwas mit ihm zu tun gehabt“, erinnerte sich Wegener später. Sein Bruder machte später in der DDR als SED-Funktionär Karriere. Der in der Haft abgemagerte Ulrich Wegener ging einen anderen Weg. Drei Tage nach seiner Entlassung stieg er in Ost-Berlin in die S-Bahn und fuhr in den Westen. 

Hier konnte er aus voller Überzeugung der Familientradition folgend in den Dienst des Staates treten, zunächst als Polizist. Doch auch hier war das Militärische nicht fern: Nach seinem Eintritt in die Bereitschaftspolizei von Baden-Württemberg zeigte er sich beeindruckt von der „hervorragenden“ Führung seiner Einheit in Biberach. „Es waren alles ehemalige Offiziere der Wehrmacht, die etwas aus dieser Truppe machen wollten“, erinnerte er sich. In Biberach sei der Grundstein für seine Karriere gelegt worden, lautete noch in späteren Jahren sein Urteil.

Nach seinem Wechsel zum Bundesgrenzschutz machte Wegener schnell Karriere. Ende der sechziger Jahre wurde er Verbindungsoffizier des Grenzschutzes beim damaligen Innenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP). Nach dem Anschlag auf die israelischen Sportler bei den Olympischen Spielen in München 1972 baute er die GSG 9 auf, die sein Lebenswerk werden sollte. Nach der Befreiung der deutschen Geiseln aus der von palästinensischen Terroristen entführten Lufthansamaschine „Landshut“ in der somalischen Hauptstadt Mogadischu wurden Wegener und seine Männer weltweit als Helden gefeiert. 

Er wurde auch international ein gefragter Experte, was ihn am Ende seiner Karriere auf einer offiziellen Beratermission nach Saudi-Arabien führte. Dabei blieb der zum Brigadegeneral aufgestiegene Wegener immer gradlinig und hielt mit seiner Meinung nur selten hinter dem Berg. Vielleicht war das der Grund, warum Wegener erst kurz vor seiner Pensionierung Ende 1989 zum Generalmajor befördert wurde – auf Betreiben der Saudis, wie es heißt, denen an einer Rang-erhöhung ihres Beraters gelegen war. Der höchste Posten, der des Inspekteurs des BGS, blieb ihm indes verwehrt.

Mit Ulrich Wegener verliert die Bundesrepublik einen im allerbesten Sinne preußisch geprägten Staatsdiener, der aus seinen Erfahrungen in zwei deutschen Diktaturen um den Wert der Freiheit wußte und zusammen mit seinen Männern bereit war, diese unter Einsatz des Lebens zu verteidigen. Wegener faßte dies kurz vor seinem Tod preußisch schlicht zusammen: „Mich hat es immer begeistert, etwas für den Staat zu tun.“ Am 28. Dezember ist Ulrich Wegener in Windhagen bei Bonn gestorben.