© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Der Senior will es noch einmal wissen
Tschechei: Miloš Zemans Problem bei der kommenden Präsidentschaftswahl heißt Andrej Babiš
Paul Leonhard

Die Tschechei steht vor einer komplizierten politischen Richtungsentscheidung: Am 12. und 13. Januar wird ein neuer Staatspräsident gewählt. Aussichtsreichster Kandidat ist derzeit Amtsinhaber Miloš Zeman. Dieser ist – wie auch der Ministerpräsident und Milliardär Andrej Babiš – bei den tschechischen Journalisten äußerst unbeliebt. Diese verweisen in Beiträgen auf den Gesundheitszustand des 73jährigen, der unter einer Erkrankung der Nervenbahnen und Diabetes leidet. Nachdem Fotomontagen im Internet verbreitet wurden, die Zeman mit abgeschnittenem Bein zeigten, konterte dieser mit der Bemerkung: Politik macht man nicht mit den Beinen, sondern mit Gehirn.

Der Staatspräsident hat sich den Zorn des Westens mit seiner Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik, des Islams und des Multikulturalismus sowie seiner Unterstützung eines Referendums über den EU-Austritt Tschechiens zugezogen. Zeman halte China für „ein Muster gesellschaftlicher Stabilität“, sei „völlig betrunken“ zur Eröffnung einer Ausstellung über die böhmischen Kronjuwelen erschienen, und seine Verbindungen zum Kreml seien so eng, daß die US-Geheimdienste ihn als „mögliches Sicherheitsrisiko“ einschätzen, heißt es in einem Wahl-Dossier der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung. All das macht ihn aber gerade bei vielen Tschechen populär, so daß die öffentliche Zustimmung für Zeman auf 50 bis 60 Prozent geschätzt wird.

Zemans größeres Problem heißt Babiš. In seiner Weihnachtsansprache hatte er diesen ausdrücklich in Schutz genommen. Die Weigerung der anderen Parlamentsparteien, mit dem Wahlsieger zusammenzuarbeiten, sei „unsinnig“. Er werde keinesfalls vorzeitige Neuwahlen ausschreiben. Was aber, wenn Babiš (Ano-Partei), der seit Oktober eine Minderheitsregierung führt, am Mittwoch und damit zwei Tage vor der Präsidentenwahl die Vertrauensfrage verliert, wenn das Parlament der Aufhebung der Immunität des Premierministers zustimmt? Nach Angaben der Tageszeitung Hospodárske noviny liegt dem Finanzministerium ein Ermittlungsbericht des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (Olaf) wegen mutmaßlichen Fördermittelbetrugs bei der Sanierung des Luxusressorts „Storchennest“ vor.

Von den insgesamt neun Kandidaten für das Präsidentenamt gelten neben Zeman Jirí Drahoš, Vorsitzender der Akademie der Wissenschaften, und Ex-Ministerpräsident (2006 bis 2009) Mirek Topolánek als die aussichtsreichsten. Letzterer ist ein harter Kritiker von Babiš, hat sich aber ebenfalls gegen die EU-Flüchtlingspolitik ausgesprochen. Drahoš dagegen ist das politische Gegenstück zu Zeman. Er will den Euro einführen und die Außenpolitik stärker nach Westen orientieren, vertritt eine Willkommenskultur für Flüchtlinge, „kämpft allerdings mit dem Image des großstädtischen Intellektuellen, mit dem sich der durchschnittliche Wähler nur schwer identifiziert“, wie die Naumann-Stiftung konstatiert: „Wenn er sich gegen Zeman durchsetzen will, muß er Wege finden, wie er auch die Menschen in kleineren Regionalstädten für sich gewinnen kann.“