© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Der Goldrausch trägt bizarre Blüten
Kyptowährung Bitcoin: Die Blockchain bietet ein enormes Potential, aber diese Blase kann auch schnell platzen / Sinnvolle Anwendungen?
Henning Lindhoff

Bitcoin ist in aller Munde. Der Kurs der Kryptowährung explodierte 2017 um über 1.300 Prozent und stand nach einer wilden Achterbahnfahrt am Dienstag mittag bei 12.342 Euro. Vor einem Jahr wurde ein Bitcoin noch mit unter 800 Euro notiert. Ist das noch ein gesundes Wachstum? Oder eine neue große Finanzblase? Erinnerungen werden wach an die New-Economy-Blase zur Jahrtausendwende. Im Internet toben Scharmützel zwischen meist jungen, wilden Bitcoin-Apologeten – nicht wenige von ihnen sind dank der jüngsten Kursexplosionen bereits zu Krypto-Millionären aufgestiegen – und erfahrenen Investoren, die dem neuen Hype um Bitcoin, Cardano, Litecoin, Monero, Neo, Ripple & Co. skeptisch gegenüberstehen.

Langfristig paßt sich der Kurs seinem Wert an

In den Augen letzterer steht der Bitcoin-Kurs kurz vor seinem Zenit, die Blase unmittelbar vor dem Platzen. Sie sagen, hinter Bitcoin und den anderen, auf den ersten Blick recht ähnlichen, Kryptowährungen stehe kein echter Wert. Der Hype sei errichtet worden auf den Luftschlössern der Träumer und der Gier der Spekulanten. Auf der anderen Seite pochen die Krypto-Anhänger auf die Vorzüge einer schönen neuen dezentralisierten Welt. Sie versprechen Freiheit von Politikern, Unabhängigkeit von Zentralbanken und letztlich finanzielle Freiheit für jeden, der nur schnell genug auf ihren Zug aufzuspringen vermag.

Doch die Wahrheit ist nicht schwarz, nicht weiß. Um der Farbnuance etwas näher kommen zu können, bedarf es der Erinnerung an die Lehre vom Wert und dem Preis. Jede Form von Geld zieht ihren Wert aus Vertrauen der Nutzer in Institutionen wie dem Staat oder der Zentralbank. Der Wert einer jeden Währung, deren Tauschwert nicht exakt ihrem materiellen Wert entspricht (wie Gold, Silber oder Kupfer), lautet Vertrauen. Erst kollektives Vertrauen bei Bürgern wie Unternehmen schafft dauerhafte und stabile Wertvorstellungen. Der Prozeß der Vertrauensbildung und Adaption dauert viele Jahre und hat mit Widerständen und Rückschlägen zu kämpfen.

Im Gegensatz zu Dollar, Euro, Franken oder Yen wird bei den Kryptowährungen allerdings das Vertrauen der Nutzer in die Institutionen (Bank, Staat) ersetzt durch das Vertrauen in eine Liste aus Blöcken von Computer-Datensätzen (Blockchain) und deren Berechnungsalgorithmen. Entkoppelt vom Faktor Vertrauen und mit einem Blick auf die materielle Komponente, ergibt sich noch ein etwas anderes Bild. Zentralbankgeld ist – spätestens seit der Aufhebung des Goldstandards – maximal durch den Wert des Papiers, auf das es gedruckt ist, gedeckt. Wer 1914 seine 20-Goldmark-Münze mit dem Kaiserporträt nicht für Papiergeld hergab, der hat seinen Ururenkeln 300 Euro hinterlassen. 40 Mark betrug damals der Wochenlohn eines Poliers – heute sind es netto 600 Euro.

Ein Großteil der Kryptowährungen hingegen hat immerhin einen hohen Herstellungswert. Dabei werden die sogenannten Miner für die Bereitstellung ihrer Computerrechenleistung für das Netzwerk mit der Ausschüttung neuer Einheiten der Kryptowährung belohnt. Der Herstellungswert der Kryptowährung entspricht auf diesem Weg der erbrachten Rechenleistung.

Verglichen mit dem theoretisch in beliebiger Höhe druckbaren Geld ohne inneren Wert („Fiat money“) ist dies ein deutlich kostenintensiverer Prozeß, zumal Geldmengenausweitungen, wie sie bei einer Zentralbank möglich sind, im Bitcoin-Ökosystem nicht denkbar sind. Bitcoin ist auf 21 Millionen „Münzen“ begrenzt. Auch das Schürfen der Blöcke kann nicht einfach beschleunigt werden. Durch diese festgelegten Limitierungen bleibt Bitcoin knapp, was sich wiederum positiv auf die Wertstabilität auswirkt.

Gerade der kosten- und energieintensive Transaktionsprozeß ist aktuell das große Manko der Technologie. Außerhalb der eigentlichen Blockchain werkeln daher Programmierer eifrig am Lightning Network, das mittelfristig die größten Schwächen des neun Jahre alten Bitcoin ausmerzen und den Weg in Richtung einer anwendungsorientierten Zukunft ebnen soll. Die neue Technologie soll eine Million Transaktionen pro Sekunde ermöglichen und damit 15mal schneller sein als das Visa-Kreditkartensystem. Zudem sollen die Gebühren deutlich sinken, die aktuell bei sage und schreibe 40 Dollar im Durchschnitt liegen.

Bitcoin will Währung sein und wird als solche wahrgenommen. Aber Währung ist nur eine mögliche Anwendung der Blockchain-Technologie. Für die Zukunft wird an vielen weiteren Diensten gearbeitet, bei denen die Frage der Zentralisierung zur Disposition steht: Benötigen wir zentrale staatliche Stellen zur Dokumentation von Eigentum und Besitz? Zur Verifizierung von Identitäten? Zur Rechtevergabe und Lizenzierung? Könnte ein dezentrales Netzwerk Patente und geistiges Eigentum schützen?

An solchen und vielen weiteren womöglich wertstiftenden Anwendungen arbeitet eine Vielzahl von großen und kleinen Start-ups. In sogenannten ICOs (Initial Coin Offerings – ähnlich einer Erstausgabe von Aktien) bieten sie einen mehr oder weniger großen Teil ihrer eigens kreierten digitalen Münzen potentiellen Käufern an. ICOs dienen einem wertvollen Zweck, solange sie legitim und nicht betrügerisch verwendet werden. Steht hinter einer solchen Kapitalbeschaffungsmaßnahme allerdings kein echter Anwendungsfall, das heißt kein Problem, das wirklich durch eine Blockchain gelöst werden könnte, ist größte Vorsicht angebracht.

Auf dem Weg zum echten Mehrwert übernimmt Bitcoin selbst nur die Rolle des Wegbereiters. Ihm sind bereits zahlreiche schnellere, effizientere anwendungsorientierte Blockchains auf der Spur. Vielversprechende Kandidaten wie IOTA, Ethereum oder Litecoin haben es sich zum Ziel gesetzt, das Fundament des Internet of Things zu bauen, Computerprogramme in der Blockchain laufen und Netzwerke noch sehr viel schneller arbeiten zu lassen.

Leider sind viele ICOs bis dato schlecht strukturiert und ähneln eher Betrugsversuchen als legitimen Projekten. Aus Angst, zuwenig Rendite zu machen, wird die Einschätzung echter Werte gar nicht erst in Betracht gezogen. Das phantastischste Projekt ist gerade gut genug. Das Rendite-Risiko-Profil ihrer Investoren ist abenteuerlich. Die Skeptiker könnten aus diesem Grund recht behalten. Die zahlreichen Erinnerungen an die Tulpenblase 1636/37 und die Dotcom-Blase 2000 scheinen durchaus angebracht. Die Blockchain bietet ein enormes Potential, doch wenn die aufstrebenden Krypto-Unternehmen und Blockchain-Entwickler keinen echten Anwendungsfall kreieren, wenn sie keine echten Probleme lösen, dann wird diese Blase schneller platzen, als so manchem Jungmillionär lieb sein kann.

Bitcoin Deutschland AG:

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