© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Draußen vor der Tür
AfD I: Nach dem kurzfristig abgesagten Parteitag in Niedersachsen wächst der Unmut
Christian Vollradt

Das einzige Wort, mit dem man zutreffend und einfühlsam die Temperatur beschreiben könnte, die am vergangenen Samstagmorgen vor dem Bürgerhaus von Hannover-Misburg herrschte, fängt mit „a“ an, verbietet sich jedoch für einen Zeitungsbericht. Es war ein seltsames Bild: Da standen nicht nur etwa dreißig schwarzgekleidete Gegendemonstranten mit Antifa-Fahnen – in gebührendem Abstand und wachsam, aber diskret beäugt von Bereitschaftspolizei –, sondern auch AfD-Leute, die eigentlich im Warmen ihren Parteitag abhalten wollten (JF 3/17). Eigentlich. Denn die rund 120 Parteimitglieder waren quasi die „Unentwegten“, die in den Osten der niedersächsischen Landeshauptstadt gekommen sind, obwohl der Parteitag zwei Tage zuvor auf den letzten Drücker abgesagt und der Tagungsraum samt Catering gekündigt worden war. 

Akkreditierte Journalisten hatten am Donnerstag abend um zwanzig Minuten vor acht eine kurze Mitteilung erhalten, wonach man zur Kenntnis gebe, daß der Landesparteitag abgesagt wurde. Etwas früher wurden die Mitglieder der Partei davon unterrichtet, der Landesvorstand habe „mehrheitlich entschieden“, den für das Wochenende angesetzten Landesparteitag „endgültig abzusagen“. Weil es zwei verschiedene Einladungen gab, gegen die Einspruch erhoben worden sei, bestehe „das konkrete Risiko, daß das Landesschiedsgericht gezwungen sein könnte, die Ergebnisse eines Landesparteitages am 13./14. Januar 2018 für null und nichtig zu erklären“, ließ der Landesvorsitzende Armin-Paul Hampel mitteilen. 

Das wollten Hampels innerparteiliche Gegner so nicht hinnehmen. In einer eigenen Mail nannten sie Hampels Absage-Mail „einen erneuten historischen Tiefpunkt“ in der Geschichte ihres Landesverbands. Den Versuch, auf juristischem Wege sich kurzfristig doch noch in die von Hampels Seite gekündigte Halle zu klagen, hatte man wegen zweifelhafter Erfolgsaussichten dann allerdings doch verzichtet. 

Die Versammlung im Freien, draußen vor der Tür, sei „ein Happening“, so der Bundestagsabgeordnete Jörn König, Stellvertreter Hampels und einer seiner Kritiker innerhalb des Vorstands, „um unsere Enttäuschung zu dokumentieren“. Faktisch finden vor dem Bürgerhaus also zwei Demonstrationen statt: Antifa gegen AfD und AfD-Mitglieder gegen Hampel. Und pro Protestgruppe ein Mikrofon mit Verstärker.

Ein Streitschlichter aus Niederbayern

„Als hätte es je einen Parteitag der AfD gegeben, der nicht irgendwie angefochten wurde“, wischt Dana Guth gegenüber der JUNGEN FREIHEIT die Argumentation des Landesvorsitzenden beiseite. Für sie wie für viele Mitstreiter ist an diesem Morgen klar: Hampel versuche wieder nur, eine Entscheidung aufzuschieben. Eine „Unverschämtheit“ nennt die Vorsitzende der Landtagsfraktion die kurzfristige Absage. Damit werde der Neustart im Land verwehrt. Landesvize Wilhelm von Gottberg spricht von einer „Riesensauerei“. 

„Wir wollten den Parteitag gern durchführen“, unterstreicht Jörn König bei einer Art spontanen Mini-Pressekonferenz am Rande der Demo. Mit der Absage sei die Chance vertan, eine Klärung der vertrackten Situation im Landesverband herbeizuführen. König stellt zudem klar, man akzeptiere selbstverständlich auch ein Votum zugunsten des amtierenden Vorsitzenden: „Wenn die Mitglieder ihn wollen, dann bleibt Hampel Vorsitzender.“ Daß König jedoch selbst für die Spitze des Landesverbands kandidieren möchte, ist kein Geheimnis. Auch Guth hatte zuvor schon ihre Bereitschaft zu kandidieren erklärt. Auf die Frage, welches Bild die AfD seiner Meinung nach abgebe, antwortet König: „Ein geeintes – auf dieser Kundgebung“, fügt er lachend an. Ansonsten sei die Vorstellung seiner Partei zwischen Nordsee und Harz eher suboptimal, gibt er zu. Immer wieder betonen die Parteileute vor der Halle, daß der Landesverband nicht in politische Lager gespalten sei. Aller Ärger, so der Eindruck, scheint sich lediglich auf personeller Ebene abzuspielen: für oder gegen Hampel.

„Ich werde mich um Niedersachsen kümmern“, verspricht unterdessen Bundesvorstandsmitglied Stephan Protschka den Anwesenden. Der AfD-Mann aus Niederbayern hat den Auftrag erhalten, zwischen den Streitenden zu vermitteln. Bisher ohne Erfolg, gesteht er am Samstag ein. 

Wie es weitergeht? Am wahrscheinlichsten sei die neuerliche Einberufung des Parteitags für Anfang März. Manchen Anwesenden geht das nicht schnell genug, sie plädieren für einen Eil-Parteitag noch im Februar. Parteichef Jörg Meuthen scheint mittlerweile die Geduld mit Niedersachsens Landesvorsitzendem verloren zu haben: „Das Ausmaß meiner Verärgerung ist sehr groß“, offenbarte er der jungen freiheit nach der Absage des Parteitags. Es sei ihm unverständlich, wie sich jemand so an seinen Posten festklammere. Meuthen fürchtet einen „Entmutigungseffekt“, der die Partei in Niedersachsen weiter lähmen könnte. 

Hampel wies die Trickserei-Vorwürfe zurück und unterstrich, auch er wolle eine „Klärung“. Der  Druck, hinter den Kulissen zu einer Einigung vor dem Parteitag zu kommen, wächst. Denn wenn der Landesvorsitzende partout an seinem Amt festhält, dürfte eine Lösung schwierig werden; gegen seinen Willen könnten ihn nur Zwei Drittel der Mitglieder abwählen. Und diese Mehrheit gilt immer noch als ungewiß.