© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Geschichte hat sich mir, jenseits des Schulunterrichts und trockener Faktenhuberei, zumeist über erzählerische Werke vermittelt. So erinnere ich, wie ich als Jugendlicher den Roman „Ich, Claudius, Kaiser und Gott“ des englischen Schriftstellers Robert Graves nächtens regelrecht verschlungen habe. Weil der Autor mütterlicherseits ein Urenkel des großen preußischen Historikers Leopold von Ranke war, erschienen seine Bücher im deutschsprachigen Raum unter dem Namen Robert von Ranke-Graves. Das Claudius-Buch handelt von dem im Jahre 10 v. Chr. geborenen, späteren römischen Kaiser. Ausgerufen wurde er dazu nach der Ermordung Caligulas 41 n. Chr. nicht wie bis dahin üblich vom Senat, sondern der Prätorianergarde. Graves’ anschauliche Schilderung in Form einer fiktiven Autobiographie gilt bis heute als beste Darstellung des vierten Princeps der julisch-claudischen Dynastie.


„Dem modernen Menschen ist es gleichgültig, in seinem Leben keine Freiheit zu finden, wenn er sie in den Reden jener verherrlicht findet, die ihn unterdrücken.“ (Nicolás Gómez Dávila, kolumbianischer Philosoph, 1913–1994)


Geistiger Wegbegleiter waren lange Zeit für mich auch die Bücher von Joachim Fernau, gleichviel ob es um griechische Geschichte („Rosen für Apoll“, 1961), römische („Cäsar läßt grüßen“, 1971) oder deutsche Historie („Deutschland, Deutschland über alles …“, 1952“) ging. Obschon diese Werke der trivialen Unterhaltungsliteratur zugeordnet werden, sind sie allesamt heute noch lesenswert. Gleichermaßen gilt das auch für den 1960 veröffentlichten Roman „Die jungen Männer“, der lange vergriffen war und nun kürzlich in einer illustrierten Neuausgabe im Verlag Antaios (edition nordost) erschienen ist. Fernau erzählt darin autobiographisch grundiert aus dem Alltag zweier Freunde, die in der Zeit um Hitlers Machtergreifung am 30. Januar 1933 in Berlin leben. In einer Kurznotiz zur Erstausgabe attestierte der Spiegel, Fernau erweise sich hier als „erstklassiger Dialog-Entwerfer“. Das war um so bemerkenswerter, als es im Vorwort heißt: „Wir leben in einer Zeit, die das beständige Gerede über Freiheit zum Ersatzglück der Menschen gemacht hat. Tatsächlich ist unsere geistige Freiheit so erbärmlich wie nur noch in wenigen Epochen (…) Das Wachs für die Ohren des Odysseus wird heute jedem Bürger mit dem Stimmzettel, dem Schnuller unserer Zeit, mitgeliefert. Die Hälfte der Nation sitzt beim Schweinebraten und hat die Fensterläden geschlossen, die anderen sind, wie immer, Büttel, der Rest Trappisten.“