© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/18 / 26. Januar 2018

Mit denen nicht
Sudetendeutsche: Beim Pfingsttreffen soll sich die AfD-Bundestagsfraktion nicht mit einem Stand präsentieren dürfen / Abgeordneter kritisiert Ausgrenzung
Gernot Facius

Stephan Protschka zeigt sich entsetzt. Der niederbayerische AfD-Bundestagsabgeordnete wurde zwar in den Sudetendeutschen Rat berufen, aber seine Fraktion, drittstärkste Kraft im Parlament, bleibt vom 69. Sudetendeutschen Tag im Mai in Augsburg ausgeschlossen. Ihr wurde verwehrt, was anderen politischen Gruppierungen (CDU, CSU, SPD und Freie Wähler) problemlos zugestanden wird: ein Stand während des traditionellen Pfingsttreffens. Begründung: Organisationen, „die sich nicht klar und ausreichend nach rechts oder links außen abgrenzen“, könnten auf dem Messegelände nicht berücksichtigt werden. 

Das läßt Protschka, ein ehemaliges Mitglied der bayerischen Jungen Union, nicht gelten. Tatsächlich scheine es eher so zu sein, daß Teile des Vorstandes der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) „vor allem darauf versessen sind, die SL möglichst auf Unionskurs zu halten“. In einem offenen Brief an die SL-Spitze schrieb der Politiker: „Sie verweigern nicht nur einem Plenumsmitglied des Sudetendeutschen Rats einen Stand, was verschmerzbar gewesen wäre. Nein, darüber hinaus verweigern Sie auch allen 92 Bundestagsabgeordneten der AfD die Möglichkeit, im Rahmen des ST die eigenen Positionen zur Vertriebenenpolitik zu präsentieren, allen anderen Fraktionen (soweit sich diese überhaupt für die Belange der Vertriebenen interessieren) verweigern Sie diese Gelegenheit nicht.“  Der Sudetendeutsche Rat ist eine Körperschaft der SL mit 30 Mitgliedern. Die eine Hälfte wird von der Bundesversammlung der Landsmannschaft gewählt, die andere Hälfte von den im Bundestag vertretenen Parteien benannt.

Der Eklat hat sich seit längerem abgezeichnet. „Während die Mehrheit der Tschechen und der Sudetendeutschen in europäischem Geist immer intensiver zusammenarbeitet, tun sich bei der AfD die Nationalisten und EU-Hasser von beiden Seiten zusammen“, hatte Bernd Posselt (CSU) als Sprecher der SL vor Jahresfrist erklärt – eine Reaktion auf Auftritte des ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus bei der AfD. „Entsetzt“ zeigte sich Posselt, daß die frühere Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, eine prominente Trägerin des Karlspreises der Landsmannschaft, nach ihrem Ausscheiden aus der CDU Werbung für die AfD betrieb: „Diese deutschnationale Gruppierung ist antieuropäisch, putinhörig und hat mehrfach Vaclav Klaus zugejubelt, der heute noch die Vertreibung der Sudetendeutschen verteidigt.“ Protschka betonte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, Vaclav Klaus sei von der AfD wegen seiner EU-Kritik und nicht wegen (sondern trotz) seiner Haltung zu den Benesch-Dekreten eingeladen worden.  

Die Ausgrenzung der relativ jungen Partei ist insofern pikant, als unter ihren Wählern, das darf vor allem aus dem bayerischen Ergebnis der Bundestagswahl geschlossen werden, viele Sudetendeutsche und andere Heimatvertriebene sind. In Sachsen trommelt Claus Hörrmann, bis vor kurzer Zeit stellvertretender Bundesvorsitzender der SL, für die „Alternative“. Aus Niedersachsen zog Wilhelm von Gottberg, ein früherer Vizepräsident des BdV, auf AfD-Ticket in den Bundestag ein. Auch auf Kreis- und Bezirks-ebene haben SL-Amtsträger, die früher der CDU oder CSU zuneigten oder in den Unionsparteien mitarbeiteten, inzwischen zur AfD gefunden. Es hat sich zudem eine Parteigruppierung „Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minderheiten“ (VAdM) gebildet. 

Die beabsichtigte Verbannung der AfD vom Sudetendeutschen Tag hat offenbar auch mit der bayerischen Landtagswahl am 14. Oktober und dem bevorstehenden Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten zu tun. Der designierte neue Regierungs­chef in München, Markus Söder, wird beim Sudetendeutschen Tag in Augsburg seinen Einstand als „Schirmherr“ der Volksgruppe geben. Söder hat zum Abschluß der Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz zu erkennen gegeben, daß er um alle bürgerlichen Wähler werben wolle. In der CSU wurde das als klare Kampfansage an AfD und FDP gewertet. Die Abgrenzung von der Alternative dürfte die internen Konflikte in der Landsmannschaft weiter verschärfen. So habe er etwa aus dem österreichischen Ableger der Sudetendeutschen Zuspruch erhalten, erwähnt Protschka gegenüber der JF. „Ich möchte auf jeden Fall in Augsburg dabeisein und hoffe, nicht zur ‘persona non grata’ ernannt zu werden.“

Seit mehreren Jahren tobt der Streit zwischen dem nationalkonservativen Witikobund, aus dessen Reihen die umstrittene Satzungsänderung (Verzicht auf „Wiedergewinnung der Heimat“ und auf Restitution) erfolgreich angefochten wurde, und der SL-Führung in München. Unter anderem wegen der Differenzen über die Satzung hat sich die sächsische SL vom Bundesverband getrennt. 

„Wir bedauern diesen offensichtlichen Verfall einer der größten Vertriebenenorganisationen der Nachkriegszeit“, erklärte Protschka. Und er fügte in seiner Protesterklärung hinzu: „Wir hoffen, daß Ihre Mitglieder von Ihren undemokratischen Umtrieben bald umfassend erfahren.“