© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/18 / 26. Januar 2018

Ruhepole zum schärferen Denken
Konservative Publizistik: „Cato“, das Magazin für neue Sachlichkeit, hat einen erfolgreichen Start hingelegt / Jetzt erscheint die dritte Ausgabe
Julius Möllenbach

Wenn eine neue Zeitschrift aus dem konservativen Spektrum wie Cato an den Start geht (JF 37/17), so auch deshalb, weil hier noch ein weites Feld zu beackern ist. Keines der vorhandenen Medien deckt alles ab – und die Lückenpresse läßt eben schmerzliche Lücken. Für den einen ist der Tonfall  entscheidend, oder die Tagesaktualität, für den anderen das theoretisch Grundsätzliche, die mehr oder weniger polemischen Kommentare, die tiefgehende Reportage, die kulturelle Breite, ökonomische Analysen, Systemkritik oder -nähe, Parteienbezug. In diesem Feld ist Cato dabei, sich einen eigenständigen Platz zu erobern. Und zwar mit einer journalistischen Mischung, die geeignet scheint, ein Publikum zu erreichen, das von den bestehenden konservativen, rechten oder auch libertären Publikationen nicht in gleichem Maße oder jedenfalls nicht in dieser Weise angesprochen wird. 

Cato hat den programmatischen Anspruch, ein „Bewußtsein für die Knappheit geistiger und moralischer Bestände“ (Andreas Lombard) zu schaffen – und es versteht sich so als Organ, das Wirklichkeit nicht verstellen, sondern zur Geltung bringen will. Spielte das zweite Heft in seinem Comic auf die lageanalytische Kälte eines Arnold Gehlen gegenüber der Mediengesellschaft an, so führt das aktuelle Heft in die unmittelbare Vorgeschichte unserer Zeit: Der große Aufmacher erinnert an den ersten wichtigen Fensteröffner für ein prononciert rechtes Denken nach der Wiedervereinigung, das nicht das Geringste mit dem Nationalsozialismus zu tun hatte. Botho Strauß’ epochaler Essay „Anschwellender Bocksgesang“ wurde 1993 nicht nur heftig von links attackiert, der Autor mit verbalem Unrat beworfen. Der Text wurde eben auch insgeheim studiert und entfaltete so seine subkutane Wirkung, auch wenn sich zunächst der Mehltau der politischen Korrektheit über Deutschland ausbreitete. 

Prägnante Stellungnahmen zu Strauß’ „Bocksgesang“

In Cato nimmt der Historiker Karlheinz Weißmann diesen Faden auf. Gefolgt von 29 kurzen prägnanten Stellungnahmen, die wie ein Kaleidoskop die Facetten des Textes aufblättern und somit ein Glanzstück des neuen Heftes darstellen. Und dies nicht zuletzt deshalb, weil die Autoren keineswegs nur einer Meinung sind, auch wenn der Tenor überwiegt, Strauß habe in allem Wesentlichen recht behalten. Es tut dem Heft gut, daß eher skeptische Stimmen neben fulminanten Aktualisierungen stehen – und so liest man mit innerer Erregung die scharfsichtigen, auf den Punkt gebrachten Analysen von Philosophen und Historikern. Diese werden flankiert von einem grandiosen Rundumschlag des Schriftstellers Ulrich Schacht, der ebenso wie einige andere Autoren (zum  Beispiel Reinhart Maurer, Heimo Schwilk, Hans Jürgen Syberberg) schon in dem Sammelband „Die selbstbewußte Nation“ von 1994 Position in der Debatte bezogen hatte. Der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Rüdiger Safranski, auch er damals schon dabei, sieht in Strauß’ Essay einen ungebrochen aktuellen Text für jeden, der sich den Willen zur Selbstbehauptung nicht lähmen lassen will.

Überraschten die beiden ersten Hefte mit Beiträgen, die den weltoffenen Blick auf andere Länder richteten – Roger Scruton über das englische Städtebauprojekt Poundbury, ein Interview mit dem französischen Philosophen Alain Finkielkraut über das Problem der Identität und die Grenzen der Integration, Thorsten Hinz über die deutsche Vergangenheit Breslaus –, so auch das dritte Heft. Chefredakteur Andreas Lombard besuchte in München den bekannten tschechischen Zeichner Ivan Steiger (78), der Tausende von Zeichnungen vor allem in der FAZ veröffentlichte.

Steiger, der aus einer antikommunistischen Familie stammt und sich als konservativ versteht, wurde stark durch den Romancier Milan Kundera geprägt und schildert anschaulich das Leben unter dem tschechischen Kommunismus, bis er 1969 in die Bundesrepublik ging. Diese Erfahrungen helfen, den Linksruck der heutigen Kultur zu erkennen: „Den Linken ist es erlaubt, sich zu allem zu äußern“, sagt Steiger, „und die Rechten sollen ihren Mund halten. Ich fürchte, daß das mit der Zeit noch schlimmer werden wird.“ 

Diese Lageeinschätzung scheint auch in Essays und Rezensionen (Sieferle, Legutko) durch, sowie in den vielen kleineren Texten, mit denen das Heft durchsetzt ist und die immer wieder ungewohnte Akzente setzen (Arno Schmidt!, Matthias Claudius!, Richard Strauss!, Ordo-Liberalismus!). Philip Plickert etwa bilanziert vor dem Hintergrund der Euro-Rettung lakonisch und ernüchternd: „Der Ordo-Liberalismus ist in weiten Teilen nur noch Fassade.“ Nicht nur um Fassaden geht es dagegen in einem Beitrag Sebastian Hennigs über die historische Rekonstruktion des vor allem barocken Dresdner Stadtbildes – und ebenso nachdenkenswert ist ein Essay Friedrich Dieckmanns über Auftragskunst sowie ein Porträt der türkischen Pianistin Idil Biret.

Kurskorrektur des schlingernden Dampfers Cato unternimmt den Versuch eines Spagats, für den es aber einen Bedarf gibt. Es geht nämlich um zweierlei: Erstens um eine klare, harte, ja illusionslose Lageanalayse der Fehlentwicklungen von heute und der „Stürme von morgen“ – aber ohne Fanatismus und wohlfeile Invektiven. Zweitens aber kommt es darauf an, eine positive, durchaus auch gelassene Beziehung zum Eigenen, zum Deutschen und Europäischen, zu kultivieren, ohne Muffigkeit und Altbackenheit. Wenn sich diese neue Sachlichkeit ohne Anbiederung an den Mainstream durchhalten läßt, so steht zu hoffen, kann die Zeitschrift zur Schaffung eines kulturellen Klimas beitragen, in dem die dringend nötige Kurskorrektur des schlingernden Dampfers Deutschland immer breitere Unterstützung erfährt.

Gerade weil das Politische heute in Gefahr ist, mittels der überbordenden Medienwelt den Alltag zu fluten, erlangt ein Magazin wie Cato besondere Bedeutung. Es verweigert sich der Denunziation von Ästhetik (also Schönheit, Form und Harmonie) als bloßes Mittel zur Bewahrung seelischen Wohlbefindens. Das Heft schafft im Gegenteil Ruhepole, ohne die das Leben zwischen Facebook, Twitter und Google und angesichts einer sich immer mehr krisenhaft zuspitzenden Lage kaum auszuhalten wäre. Es schärft aber eben auch das Denken, das nötig ist, damit die Deutschen nicht vollends zu blinzelnden Barbaren (Sieferle) werden.

Die nächste Cato-Ausgabe 3/2018 erscheint am 29. März. Das Einzelheft kostet 12 Euro, ein Jahresabo 65 Euro.

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