© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/18 / 26. Januar 2018

Blick in die Medien
Verspätete Aufregung
Tobias Dahlbrügge

Die ARD-Fernsehserie „Lindenstraße“ bringt seit 1985 linke Volkserziehung ins Wohnzimmer. Allerdings dämmert die Sendung seit langem im Quoten-Wachkoma dahin. Die Folge Nr. 1084 mit dem Titel „Islam“ von 2006 beinhaltete eine bizarre Szene: Mutter „Lisa“ will „Murat“ heiraten und deshalb zum Islam konvertieren. Ihrem Sohn im Vorschulalter erklärt sie, daß Gott ab jetzt Allah heißt und alle Kinder als Moslems geboren werden. Dann spricht sie vor ihrem Kind das arabische Glaubensbekenntnis. Im Jahr der Ausstrahlung interessierte das niemanden.

Die Entrüsteten sollten sich mal die Machwerke des Formats „Dattel-täter“ anschauen. 

Nun wurde die Folge wiederholt – und wirbelt in den sozialen Netzwerken viel Staub auf. Zahlreiche Facebook- und Youtube-Nutzer gehen wegen dieser „Islamisierung“ auf die Barrikaden. Von YouTube fand der Schnipsel seinen Weg auf britische und US-amerikanische Medienseiten, die sich halb empören, halb lustig machen: „This is, what they’re showing on german television!“ Über eine Million Amerikaner schauten das Video an und machten in mehr als fünftausend Kommentaren ihrem Ärger Luft. Ein Tenor: Kein Wunder, daß die ihre Grenzen aufreißen, wenn denen seit Jahren solche Inhalte eingehämmert werden.

Mit Verlaub, die Aufregung ist etwas seltsam. Der Ausschnitt ist über zehn Jahre alt und führt jetzt plötzlich zu hohem Blutdruck? Außerdem ist hinlänglich bekannt, daß die Seifenoper bei der Vermittlung linker Ansichten nicht gerade subtil vorgeht. Diejenigen, die sich darüber nun entrüsten, sollten erst mal die Machwerke des Formats „Datteltäter“ für das öffentlich-rechtliche Online-Jugendprogramm „funk“ anschauen – das ist quasi eine Dauerwerbesendung für moslemische Zuwanderung! Hier wimmelt es nur so vor Kopftüchern, islamischen Befindlichkeiten und „muslimischen Dating-Typen“. Nun, eines hat sich seit 2006 tatsächlich geändert: Die Phrase „Es gibt keine Islamisierung“ ist endgültig obsolet.